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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

Regeneratives Wirtschaften: Business für Mensch und Natur

Eine Frau balanciert auf einem Zaun zwischen grünen Hügeln quokkabottles – unsplash.com/license

Wie geht regeneratives Wirtschaften, Sebastian Fittko?

  • quokkabottles – unsplash.com/license
  • 14. Februar 2025

Ein Wirtschaftssystem, das sich an den natürlichen Grenzen des Planeten orientiert. Klingt gut, oder? Sebastian Fittko, Gründer der Initiative „Regenerative Marktwirtschaft“, erzählt change, wie das funktionieren kann.

Dass unser Wirtschaftssystem den Planeten ausbeutet, gilt mittlerweile als erwiesen. Doch es geht auch anders. Warum wir ein regeneratives Wirtschaftssystem und eine größere Vision vom guten Leben in der Zukunft brauchen, erklärt Sebastian Fittko im change-Interview.

Sebastian Fittko im Porträt

Sebastian Fittko …

… Mitbegründer der Initiative „Regenerative Marktwirtschaft“ und 2. Vorsitzender der Bundesinitiative Impact Investing, hat von 2003 bis 2018 führende Programme für Startup-Zusammenarbeit bei Unternehmen wie der Deutschen Telekom und Innogy/RWE initiiert. Seit 2018 setzt er sich für die Entwicklung einer regenerativen Wirtschaft ein.


change | Hallo Sebastian, du hast viele Jahre im Startup-Sektor und im Bereich digitale Transformation gearbeitet. Inzwischen widmest du dich ganz der regenerativen Wirtschaftsentwicklung. Gab es ein Schlüsselerlebnis für diese Entscheidung?

Sebastian Fittko | Ich denke, dass diese Veränderung eher aus mehreren kleinen Schlüsselerlebnissen entstanden ist. Ich habe mich schon immer sehr für die Natur interessiert und mich auch durch meine Arbeit im Bereich der digitalen Transformation viel mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Dadurch ist mir irgendwann klar geworden: Wenn wir wieder in den Bereich der planetaren Grenzen kommen wollen, müssen wir anders wirtschaften. Ein prägendes Erlebnis war auch die Geburt meines zweiten Kindes im Jahr 2018. Da wurde mir meine Verantwortung als Vater sehr bewusst und ich habe mich mehr mit der Frage beschäftigt, welche Welt wir unseren Kindern hinterlassen wollen.

Einfach erklärt: Was bedeutet regeneratives Wirtschaften?

Für mich bedeutet das, die Potenziale des Lebens in den Mittelpunkt unseres Wirtschaftens zu stellen. Wie können wir so wirtschaften, dass wir keine negativen, sondern positive Effekte erzeugen? Leben kann nur gedeihen, wenn es sich regenerieren kann. Das wissen wir auch von uns selbst. Wer zu wenig schläft oder sich schlecht ernährt, beginnt zu degenerieren, wird krank und stirbt im schlimmsten Fall. In einer regenerativen Wirtschaft geht es genau darum, dem Lebendigen zu helfen, Potenziale zu entfalten und Wachstum auf verschiedenen Ebenen zu schaffen, nicht nur für das Bruttoinlandsprodukt, sondern für die Menschheit insgesamt.
 

Eckart von Hirschhausen, ein Mann mittleren Alters, steht vor einem großen Baum. Er trägt eine Brille, ein dunkelblaues Polohemd mit einem kleinen Logo auf der linken Brust und eine karierte Hose. Seine Hände sind in den Hosentaschen. Im Hintergrund ist das Haus Berlin der Bertelsmann Stiftung, ein modernes Gebäude mit großen Fenstern und einer Fassade aus roten Ziegelsteinen, zu sehen. Der Mann wirkt entspannt und freundlich.

Was können wir für die Gesundheit unseres Planeten tun, Dr. Eckart von Hirschhausen?


Hast du uns ein Beispiel für uns, wie die regenerative Wirtschaft konkret funktionieren kann?

Ein Unternehmen aus Deutschland, das bereits nach den Prinzipien einer regenerativen Wirtschaft handelt, sind die Carbonauten. Sie setzen auf ein innovatives Verfahren namens „High Carbon Technology“ (HCT), bei dem biogene Reststoffe in Hochtemperaturprozessen zu wertvollen Biokohlenstoffen verarbeitet werden. Diese Biokohlenstoffe können in der Landwirtschaft, im Bauwesen oder in der Industrie eingesetzt werden. Gleichzeitig entstehen erneuerbare Energieträger, die fossile Brennstoffe ersetzen können.

Der besondere regenerative Aspekt dabei ist, dass der natürliche Kohlenstoffkreislauf gezielt genutzt und erweitert wird: Pflanzen nehmen durch Photosynthese CO₂ aus der Atmosphäre auf und speichern es in Form von Biomasse. Anstatt dass dieser Kohlenstoff durch Verrottung oder Verbrennung wieder freigesetzt wird, wird er durch die Pyrolyse in einer stabilen Form langfristig gebunden. Das reduziert aktiv CO₂-Emissionen und schafft zugleich neue, nachhaltige Rohstoffe.

Dieses Verfahren geht über klassische Kreislaufwirtschaft hinaus, da es nicht nur bestehende Materialien im Umlauf hält, sondern natürliche Prozesse verstärkt, um Kohlenstoff dauerhaft zu speichern. Es ist ein echter regenerativer Wirtschaftsansatz, der Ressourcen schont, Emissionen reduziert und erneuerbare Energien fördert.
 

"In einer regenerativen Wirtschaft geht es genau darum, dem Lebendigen zu helfen, Potenziale zu entfalten und Wachstum auf verschiedenen Ebenen zu schaffen, nicht nur für das Bruttoinlandsprodukt, sondern für die Menschheit insgesamt."

Sebastian Fittko


Dass unsere Art des Wirtschaftens oft nicht nachhaltig ist, weiß man eigentlich schon ziemlich lang. Warum geht der Wandel hin zu einer regenerativen Wirtschaft deiner Meinung nach so langsam voran und findet verhältnismäßig wenig Zuspruch?

Die Idee einer regenerativen Wirtschaft gibt es noch nicht so lange. Ich selbst bin 2018 zum ersten Mal über den Begriff gestolpert. Seitdem hat sich aus meiner Sicht schon einiges getan: Allein mit unserer Initiative „Regenerative Marktwirtschaft“ haben wir mittlerweile zahlreiche Regenerative Salons, also Diskussionsformate zum Thema, veranstaltet und die Nachfrage nach solchen Veranstaltungen steigt stetig. Der Zuspruch ist also aus meiner Sicht sehr groß.

Trotzdem sind Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz in letzter Zeit in der breiten Gesellschaft gefühlt eher wieder in den Hintergrund gerückt. Hast du Ideen, wie man wieder mehr Menschen erreichen kann?

Aus Sicht der Regenerativen Marktwirtschaft geht es nicht nur um Umwelt- und Klimaschutz, sondern um mehr. Wir wollen ein neues Narrativ schaffen, weg von dem Argument, dass wir verzichten müssen, um das Klima zu schützen. Das ist zu abstrakt, das versteht keiner. Wir wollen die Menschen aktivieren, Ideen und Verbindungen zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Unternehmen schaffen.
 

"Wir […] wollen auch wachsen und uns entwickeln, aber so, dass wir auch für viele Generationen nach uns noch ein gutes Leben auf diesem Planeten ermöglichen können. Ich glaube, eine solche Haltung kann sehr viel positive Energie freisetzen, wir brauchen wieder mehr Visionen von einer guten Zukunft, die uns alle optimistisch stimmen."

Sebastian Fittko


Neben deinem Einsatz für eine regenerative Marktwirtschaft bist du auch in einigen anderen Bereichen tätig. Zum Beispiel als Vorstand der Bundesinitiative Impact Investing, die auch bereits mit der Bertelsmann Stiftung kooperiert hat. Was bedeutet Impact Investing genau und wofür setzt sich die Bundesinitiative ein?

Impact Investing bezeichnet die gezielte Investition von Kapital in Finanzprodukte wie Venture Capital, Immobilienfonds oder Naturkapitalprodukte – also klassische Anlageformen der Finanzindustrie. Der Unterschied zum traditionellen Investieren liegt im Ziel: Neben einer finanziellen Rendite soll auch ein messbarer, positiver gesellschaftlicher oder ökologischer Impact erzielt werden.

Die Bundesinitiative Impact Investing setzt sich dafür ein, dieses Konzept in Deutschland bekannter zu machen und in der Finanzwelt zu verankern. Wir wollen Investor:innen und Kapitalgeber:innen für nachhaltige Investments gewinnen, die Lösungen für soziale und ökologische Herausforderungen fördern. Dabei geht es nicht nur um Kapital, sondern auch um Transparenz und Wirkungsmessung: Wir wollen sicherstellen, dass Investitionen tatsächlich den gewünschten positiven Effekt haben und messbare Veränderungen bewirken.

Durch Aufklärung, politische Impulse und Kooperationen – beispielsweise mit der Bertelsmann Stiftung – arbeiten wir daran, Impact Investing zu einer tragenden Säule der Finanzmärkte zu machen. Denn nur wenn Kapitalströme gezielt in nachhaltige und regenerative Projekte fließen, können wir die Transformation zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft beschleunigen.

Du bist außerdem Co-Founder und geschäftsführender Gesellschafter des Projekts MOTHERLAND. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Mit MOTHERLAND setzen wir genau das um, worüber wir hier gesprochen haben: eine regenerative Wirtschaft in der Praxis. Das Projekt haben wir in einer ländlichen Region Kenias gestartet, mit der zentralen Frage, wie sich wirtschaftliche Entwicklung, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit miteinander in Einklang bringen lassen. Unser Ansatz: gezielter Einsatz von Technologien, die von lokalen Start-ups entwickelt werden, um regenerative Wirtschaftsentwicklung zu ermöglichen.

Eine der größten Herausforderungen ist die Finanzierung. Obwohl beispielsweise die Ausbildung von Kindern in der regenerativen Landwirtschaft in Kenia vergleichsweise kostengünstig ist, fehlt es oft an den nötigen Mitteln, um das volle Potenzial solcher Maßnahmen auszuschöpfen. Mit mehr Unterstützung könnten wir noch viel mehr bewirken – nicht nur für die Menschen vor Ort, sondern auch als Modell für nachhaltige Entwicklung in anderen Regionen.
 

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Wie habt ihr das Projekt konkret aufgebaut?

Am Anfang stand die Frage, wie sich Innovation und Unternehmertum in afrikanischen Ländern positiv entwickeln können. Diese Frage haben wir unserem afrikanischen Netzwerk gestellt und dann viel zugehört und gelernt. So haben wir erfahren, dass es gerade auf der Ebene der kleinbäuerlichen Betriebe ein systemisches Problem gibt: Die Kleinbäuer:innen finden häufig keine Abnehmer:innen für ihre Feldfrüchte, etwa 60 Prozent der Ernten auf dem ganzen afrikanischen Kontinent gehen deshalb verloren. Vor diesem Hintergrund haben wir das Projekt in Siaya, Kenia, gestartet, um den Kleinbäuer:innen bessere Perspektiven zu bieten, zum Beispiel durch die Entwicklung einer auf Permakultur basierenden Landwirtschaft.

Zum Schluss die Frage: Was Klima- und Umweltschutz betrifft, sieht es gerade nicht so positiv aus, der neue US-Präsident Donald Trump ist gleich an seinem ersten Tag im Amt aus dem Pariser Klimaabkommen ausgetreten, um nur ein Beispiel zu nennen. Gibt es etwas, was dich trotzdem optimistisch für die Zukunft stimmt?

Aus meiner Sicht sollten wir uns weniger an den USA orientieren. Nur weil Donald Trump die Klimaambitionen der USA über Bord wirft, müssen wir das nicht auch tun. Vielmehr sollten wir diese Entwicklung als Herausforderung sehen und sagen: Wir hier in Europa und darüber hinaus wollen auch wachsen und uns entwickeln, aber so, dass wir auch für viele Generationen nach uns noch ein gutes Leben auf diesem Planeten ermöglichen können. Ich glaube, eine solche Haltung kann sehr viel positive Energie freisetzen, wir brauchen wieder mehr Visionen von einer guten Zukunft, die uns alle optimistisch stimmen.

Wie können wir die Chancen für junge Menschen und ihre Familien in Deutschland verbessern? Unter anderem mit dieser Frage setzten auch sich die Expert:innen der Bertelsmann Stiftung im Projekt „Impact Investing“ auseinander.