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Können Serious Games die Gesellschaft besser machen?

Zwei junge Frauen sitzen mit Spielekonsole auf dem Sofa Davids C/peopleimages.com - stock.adobe.com

Mit Gaming Gutes tun: Können Serious Games unsere Probleme lösen?

  • Davids C/peopleimages.com - stock.adobe.com
  • 11. Oktober 2024

Kann man spielerisch Wissen über den Klimawandel, Desinformation oder politische Systeme vermitteln und gesellschaftliche Probleme lösen? Einige Games-Entwickler:innen sagen: Ja, das geht! change hat recherchiert, was diese Computer- und Videospiele so besonders macht.

Hast du eine Ahnung, was sich hinter dem Begriff „Serious Games“ verbirgt? Wenn nicht, keine Sorge, du hast keine Lücken in deiner Allgemeinbildung. Laut einer Umfrage des Verbandes der deutschen Games-Branche wissen nur 18 Prozent der befragten Schüler:innen und Student:innen, was ein Serious Game ist.

Gamification: Lernen wird zum Spiel

Mit dem Konzept dahinter können jedoch ganze 85 Prozent etwas anfangen. Es handelt sich dabei um die spielerische Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten. Wahrscheinlich ist dieser Effekt auch dir schon untergekommen, wenn du zum Beispiel eine Sprache per App gelernt hast, Gamification also. Aber Vorsicht, laut Gaming-Expert:innen sind Serious Games nicht das Gleiche wie Gamification: Bei Gamification handelt es sich nur um ein einzelnes spielerisches Element in einer Anwendung, beispielsweise einer Sprachlern-App wie Duolingo. Ein Serious Game hingegen ist ein ganzes Spiel, das zu Lernzwecken programmiert wurde.

Kritik am Begriff „Serious Games“

Doch der Begriff wird zunehmend kritisiert, weil er als abschreckend und einengend empfunden wird. Auf der Fachkonferenz gamescom beispielsweise wurde mehrfach betont, dass heutzutage fast alle Computer- und Videospiele soziale oder politische Themen aufgreifen, ohne den ernsten Titel zu tragen. Denn seit der Entwicklung des „Serious Games“-Konzepts vor über einem halben Jahrhundert hat sich viel getan. Somit können auch bekanntere Spiele wie „Assassin’s Creed: Origins Discovery Tour“, „Valiant Hearts: The Great War” oder „Through The Darkest of Times“ laut Gaming-Expert:innen im weitesten Sinne als Serious Games bezeichnet werden, da sie neben dem Unterhaltungswert auch klare Vermittlungsabsichten haben.
 


Gamification rückt immer mehr in den Fokus der Lernforschung

Der Begriff „Serious Games“ wurde bereits 1970 von dem amerikanischen Wissenschaftler Clark C. Abt eingeführt, der das Konzept der spielerischen Vermittlung ernsthafter Inhalte in seinem gleichnamigen Buch entwickelte. In den letzten Jahren ist das spielerische Lernen immer mehr in den Fokus der Lernforschung gerückt. Forscher:innen gehen davon aus, dass Menschen sich durch Gamification Inhalte besser merken können, weil sie sie mit etwas Positivem verbinden.

Haben Serious Games eine Zukunft?

Im Vergleich ist der Anteil von Serious Games am Spielemarkt gerade in Deutschland mit rund fünf Prozent relativ gering, aber der Markt wächst. Weltweit steigt der Umsatz, 2024 sollen es 14 Milliarden US-Dollar sein, in einer Branche mit einem Gesamtumsatz von knapp 250 Milliarden US-Dollar. Prognosen gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird, da Serious Games und die Gamification von Inhalten vor allem in Bereichen wie Schule, Ausbildung, Universität oder zur Weiterbildung in der Berufswelt immer beliebter werden.

Spielend die Welt verstehen: Lernen beginnt mit Fantasie

Spielen ist die ursprünglichste Art des Lernens: Als Kinder entwickeln wir soziale Kompetenzen, Einfühlungsvermögen und lernen, mit anderen umzugehen, indem wir miteinander spielen. Wir schlüpfen in verschiedene Rollen, entwickeln unsere eigenen Szenarien und unsere Kreativität, indem wir unsere eigenen Spiele erfinden.
 

Eine Frau tippt auf ihrem Handy.

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Können Computerspiele gesellschaftliche Probleme lösen?

Doch haben Computerspiele, die zumindest außerhalb der Gaming-Communities bis vor Kurzem vor allem als Unterhaltung galten, tatsächlich das Potenzial, wichtige gesellschaftliche Probleme unserer Zeit zu lösen? Ansätze gibt es auf jeden Fall. Gaming  ermöglicht uns, Zukunftsvisionen zu entwerfen. In vielen Spielen können wir den Umgang mit Politik, Desinformation oder dem Klimawandel erproben und lernen. Wir erleben, was funktioniert und was nicht, und können so ein besseres Verständnis für Werte und Wünsche gewinnen. Immer deutlicher wird auch, dass Games längst zu einem Kulturgut geworden sind: In Form von Game Design gelten sie als Kunstform, es gibt weit vernetzte Communities auf Twitch oder Discord, es gibt den kompetitiven E-Sport inklusive eigener Fanbase und innovationstreibende Unternehmen wie NVIDIA.

Gaming und mentale Gesundheit: Einsamkeit bekämpfen

Ein weiteres Thema, das in der Gaming-Industrie intensiv diskutiert wird, ist Einsamkeit. Die Verbindung zwischen Einsamkeit und mentaler Gesundheit rückt immer mehr in den Fokus von Game-Designs. Spielerische Welten bieten oftmals die Möglichkeit, soziale Verbindungen zu knüpfen und gemeinsam mit anderen gegen das Gefühl der Einsamkeit anzutreten – den Gaming-Communities sei dank.

Fake News texten: Diese Spiele haben klare Lernabsichten

Aber zurück zu den Serious Games: In der Politiksimulation „Democracy 4“ zum Beispiel kann man als virtuelle:r Landeschef:in die Komplexität demokratischer Systeme zumindest ansatzweise verstehen lernen, indem man ein Land regiert und einen Wahlkampf führt. Auch das von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung entwickelte Spiel „Fake It To Make It“ hat klare Lernabsichten: Die Spielenden müssen selbst Falschmeldungen texten, die möglichst viele Klicks generieren sollen. Ziel des Spiels ist es dabei, dass die Spieler:innen lernen, Desinformation besser von tatsächlichen Nachrichten zu unterscheiden.
 

Eine Frau steht mit verschränkten Armen vor einem Fenster und schaut hinaus.

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Spielend Wissen über den Klimawandel erwerben

Wissen über den Klimawandel und einen besseren Umgang mit der Natur wollen Spiele wie „Terra Nil“ und „Little Impacts“, das vom Bundesumweltamt entwickelt wurde, vermitteln. Ziel des Aufbauspiels „Terra Nil“ ist es, einer öden, vegetationslosen Landschaft neues Leben einzuhauchen. Dabei lernst du viel über die komplexen Zusammenhänge von Wetter, Bodenbeschaffenheit und Kulturmaßnahmen. Im Spiel „Little Impacts“ erfährst du, wie auch kleine Verhaltensänderungen unsere Leben nachhaltiger machen können.

Vom Wissen zum Handeln, online und offline

Die verschiedenen Spiele zeigen: Wissen kann mit Serious Games interessant und unterhaltsam vermittelt werden. Aber reicht das aus, um gesellschaftliche Probleme zu lösen? Hier kommt ein Faktor ins Spiel, der immer wieder auftaucht, wenn es um soziale Themen und das Internet geht. Zu wissen, dass es Probleme gibt, reicht meist nicht aus, um sie zu lösen. Wir müssen das Wissen in konkretes Handeln umsetzen. Nur weil wir einen Beitrag über den Klimawandel in den sozialen Medien teilen, lösen wir nicht die Klimakrise, und wenn wir in einem Spiel Bäume pflanzen, veröden auf unserem Planeten trotzdem weiterhin riesige Landstriche. Um wirklich etwas zu verändern, müssen wir die digitale und die analoge Welt zusammenführen.

Wie kommuniziert die junge Generation zu gesellschaftspolitischen Themen? In welchen Räumen wird sie politisiert? Und wie können wir die Selbstbestimmung der Next Generation fördern? Damit setzen sich auch die Expert:innen der Bertelsmann Stiftung im Projekt „Junge Menschen und Gesellschaft“ auseinander.