
Wie machen wir unsere Städte fit für den Klimawandel, Henriette Reker?
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Enno Kapitza
- 07. Februar 2025
Seit einiger Zeit ist klar: Der Klimawandel ist gekommen, um zu bleiben. Vor welchen Herausforderungen in Bezug darauf besonders Großstädte stehen, erzählt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Interview auf change. Hier erfährst du mehr!
Henriette Reker ist seit 2015 parteilose Oberbürgermeisterin von Köln, der kleinsten und ältesten Millionenstadt Deutschlands. Im Interview mit change erklärt sie, was ihr im Hinblick auf den Klimawandel in Köln Sorgen bereitet und was sie trotzdem optimistisch stimmt.

… ist studierte Juristin und seit dem Jahr 2000 in der Kommunalpolitik tätig. Zuerst als parteilose Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz der Stadt Gelsenkirchen, später als Beigeordnete für Soziales, Integration und Umwelt in Köln. 2015 wurde sie zur Oberbürgermeisterin Kölns gewählt und ist seitdem im Amt.
Henriette Reker online:
change | Der Klimawandel ist bereits überall zu spüren und wird sich in Zukunft voraussichtlich auch in gemäßigten Klimazonen wie Deutschland stärker bemerkbar machen. Für Köln haben Sie deshalb den „Aktionsplan Klimaschutz“ entwickelt. Welche konkreten Maßnahmen enthält dieser Aktionsplan?
Henriette Reker | Mit dem „Aktionsplan Klimaschutz“ zeigen wir auf, wie wir die wichtige Zukunftsaufgabe einer klimaneutralen Stadt im Handeln von Verwaltung und städtischen Beteiligungen verankern. Dabei werden Maßnahmen berücksichtigt, die im direkten und indirekten Einflussbereich der Verwaltung und der Beteiligungen liegen. Die Maßnahmen reichen von Sanierungen und klimaneutraler Wärmeversorgung der eigenen Immobilien, Konzepten zur Mobilität und Müllvermeidung bis hin zu spezifischen Förderprogrammen oder regulativen Maßnahmen, beispielsweise verbindliche energetische Standards. Die dargestellten Vorhaben haben ein Einsparpotenzial von geschätzten 1,14 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr.
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"Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob sich etwas ändern muss, sondern nur noch, was genau sich ändern muss, in welchen zeitlichen Abläufen und mit welchem Ressourceneinsatz."
- Henriette Reker, Oberbürgermeisterin von Köln
Vor welchen Herausforderungen stehen besonders Großstädte in Bezug auf den Klimawandel?
Gerade in dicht bebauten Großstädten, wie Köln, müssen wir uns auf steigende Temperaturen und Hitzewellen einstellen. Was uns auch Probleme bereiten wird, ist die ungleiche Verteilung von Niederschlägen über das Jahr und damit einhergehenden Dürreperioden auf der einen Seite und immer wiederkehrende Starkregenfälle auf der anderen Seite. Wir müssen uns deshalb genau überlegen, ob wir Flächen für den Wohnungsbau, für Verkehr und Gewerbe nutzen oder sie doch lieber entsiegeln und bepflanzen.
So kann Regenwasser vor Ort versickern, Starkregen abgemildert und gleichzeitig grüne Aufenthaltsräume für die Kölner:innen geschaffen werden. Quartiere, die sich noch in der Planung befinden, lassen sich leichter so planen, dass sie zukünftig gut an extremere Wetterlagen angepasst sind. Herausfordernder ist es da, schon bestehende Quartiere widerstandsfähiger zu machen. Das lässt sich nur auf längere Sicht und mit sehr viel Ressourceneinsatz machen.
Die geplanten Veränderungen werden wahrscheinlich auch an den Kölner Bürger:innen nicht unbemerkt vorbeigehen. Haben Sie Ideen, wie man auch skeptische Menschen von der Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen wie der Verkehrswende überzeugen kann?
Um so viele Menschen wie möglich mitzunehmen, haben wir zum Beispiel die Kampagne „Köln klimaneutral 2035“ entwickelt. Dabei haben wir mit Kölner Akteur:innen und Multiplikator:innen zusammengearbeitet. Auf der Website und über die sozialen Medien werden Beratungs-, Förder-, Informations- und Veranstaltungsangebote gesammelt zur Verfügung gestellt, um Kölner:innen den Einstieg in den Klimaschutz zu erleichtern.
Um bei dem von Ihnen erwähnten Beispiel Verkehrswende zu bleiben: Einerseits kann man aus meiner Sicht die Bürger:innen überzeugen, indem man ihnen alltagstaugliche Alternativen zum privaten Auto anbietet. Wir können den Stadtraum so gestalten, dass nachhaltige Mobilitätsformen sichtbarer und ihre Nutzung attraktiver wird. Hier ist nicht nur ein guter und zuverlässiger Nahverkehr ausschlaggebend, sondern auch ein darin integriertes Mobilstationsnetz und ein flächendeckendes Radverkehrsnetz.
Andererseits sollen die Kölner:innen ihre Stadt selbst mitgestalten und die für sie wichtigen Mobilitätsmaßnahmen mitbestimmen. Mit unserem nachhaltigen Mobilitätsplan „Besser durch Köln“ haben wir in den vergangenen zwei Jahren mit vielen Beteiligten eine umfassende Strategie dafür erarbeitet. Ich bin mir sicher, dass es damit einfacher sein wird, auch Menschen, die vielleicht skeptisch sind, mitzunehmen.
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"Gerade in dicht bebauten Großstädten, wie Köln, müssen wir uns auf steigende Temperaturen und Hitzewellen einstellen. Was uns auch Probleme bereiten wird, sind [...] Dürreperioden auf der einen Seite und immer wiederkehrende Starkregenfälle auf der anderen Seite."
- Henriette Reker, Oberbürgermeisterin von Köln
Nicht alle Städte in Deutschland handeln so vorausschauend in Sachen Klimawandel wie Köln. Wie kann man die Entscheidungsträger:innen davon überzeugen, dass sich etwas ändern muss?
Ein Blick in die vorliegenden Klimasimulationen zeigt deutlich, dass der Klimawandel voranschreitet und die Auswirkungen größer werden in Zukunft. Gerade die Schäden, die in den vergangenen Jahren durch Extremwetter entstanden sind, halten uns genau das vor Augen. Es stellt sich nicht mehr die Frage, ob sich etwas ändern muss, sondern nur noch, was genau sich ändern muss, in welchen zeitlichen Abläufen und mit welchem Ressourceneinsatz. Das ist nicht für jede Kommune gleich, sondern sehr individuell – je nach den geografischen Rahmenbedingungen. Kommunen, die bereits weiter in Richtung resilienter Stadtentwicklung vorangeschritten sind, können hierbei gute Orientierung und Unterstützung geben.
Können Sie Ihre Vision einer Stadt mit uns teilen, die gegenüber den möglichen Folgen des Klimawandels widerstandsfähig ist und gleichzeitig für die Menschen lebenswert bleibt?
Ein wesentlicher Kern der Vision ist, der Natur in der Stadt zusätzlichen Raum zu geben und die Lebensqualität der Menschen so zu steigern. Denn Bäume, Pflanzen und Grünflächen bieten Schatten, kühlen die sie umgebende Luft ab und reduzieren dadurch Belastungen durch Hitze in den Sommermonaten. Um dieser Vision näher zu kommen, setzen sich die Stadt Köln und die Stadtentwässerungsbetriebe Köln dafür ein, dass private Flächen entsiegelt und begrünt werden. Dabei spielt auch der nachhaltige Umgang mit dem Regenwasser eine wichtige Rolle. Mit dem 2018 durch die Stadt Köln geschaffenen Förderprogramm „GRÜN hoch 3“ ist bereits ein wichtiger Schritt getan, die Kölner:innen finanziell dabei zu unterstützen, wohnungsnahe Haus- und Hofflächen zu begrünen und damit etwas Gutes für das Klima in der Stadt zu tun.
Auch die Lebenshaltungs- und Wohnkosten sind in Großstädten wie Köln in den letzten Jahren stark gestiegen, was besonders junge Menschen und solche mit kleinem Einkommen belastet. Enthält der „Aktionsplan Klimaschutz“ auch soziale Ansätze, damit das Leben in Köln für Menschen mit geringem Einkommen bezahlbar bleibt?
Wir erstellen derzeit die kommunale Wärmeplanung, die im Wärmeplanungsgesetz eine „kosteneffiziente, nachhaltige, sparsame, bezahlbare, resiliente und treibhausgasneutrale Wärmeversorgung bis spätestens 2045“ festschreibt. Da die Schaffung und der Erhalt bezahlbaren Wohnraums eines unserer Ziele ist, ist uns die enge Zusammenarbeit sowie der Austausch mit der Wohnungswirtschaft sehr wichtig. Derzeit begleiten wir als Stadt Köln einige Pilotprojekte zur Wärmetransformation mit Wohnungsbaugenossenschaften.
Gerade für junge Menschen sind Klimaschutz und die Frage, wie wir in Zukunft mit den daraus resultierenden Veränderungen leben werden, wichtige Themen, für die sich viele auch politisch engagieren. Viele von ihnen argumentieren, dass die Auswirkungen des Klimawandels eigentlich schon seit vielen Jahren bekannt sind, und fragen sich, warum erst jetzt gehandelt wird. Haben Sie Antworten darauf?
In Köln wurde bereits vor Jahren begonnen, die Anpassung an den Klimawandel in den Fokus zu nehmen. 2012 wurde der Fachbericht „Klimawandelgerechte Metropole Köln“ erarbeitet. Seitdem wurden verschiedene Maßnahmen wie das Begrünungsprogramm „GRÜN hoch 3“ oder Planungen, wie zum Beispiel der Hitzeaktionsplan, initiiert. Bauliche Maßnahmen, beispielsweise im Rahmen der Umgestaltung des öffentlichen Raums oder die klimawandelangepasste Bauleitplanung, benötigen jedoch einen längeren Vorlauf, sodass erst jetzt erste Ergebnisse sichtbar werden.
Und zuletzt die Frage: Was stimmt Sie persönlich im Hinblick auf die Entwicklung zu nachhaltigeren, resilienten Städten und Kommunen optimistisch?
Optimistisch stimmt mich, dass die Bedeutung des Themas auch auf Bundes- und Landesebene erkannt und die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden – unter anderem mit dem Bundes-Klimaanpassungsgesetz. Damit wird der resilienten Stadtentwicklung auch bei der Abwägung, welche Flächen sich zum Entsiegeln und Begrünen eignen, eine größere Bedeutung eingeräumt.
Du willst mehr darüber erfahren, wie sich Städte und Kommunen auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten können? Dann wirf einen Blick auf das „Zentrum für Nachhaltige Kommunen“ oder in die PDF-Ausgabe des change Magazins der Bertelsmann Stiftung. In unserer Reportage „Die Stadt der Zukunft ist resilient“ beschäftigen wir uns damit.