Driving Home for … ever? Warum das Leben in der Kleinstadt gar nicht so schlecht ist
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privat
- 31. Januar 2025
Trautes Heim, Glück allein? Unsere Autorin hat nach fünf Jahren in der Großstadt den Weg zurück in die Heimat gefunden. Ein Schritt, den viele junge Menschen nicht nachvollziehen können – dabei hat das Leben in der Kleinstadt definitiv Vorteile. Welche das sind, erzählt sie auf change!
Nach dem Abitur gab es eine Sache, in der sich die meisten meiner Mitschüler:innen einig waren: bloß weg aus Bad Salzuflen in Nordrhein-Westfalen, unserem Heimatort! Berlin, Hamburg, Köln - das waren die Traumdestinationen, in die es viele meiner Klassenkamerad:innen verschlagen hat. Mich hat es lediglich in die nächstgrößere Stadt gezogen - ob man Bielefeld mit seinen 342.000 Einwohner:innen schon als Großstadt bezeichnen kann, mag jede:r selbst entscheiden. Nach knapp fünf Jahren ging es für mich dann plötzlich doch wieder zurück nach Bad Salzuflen mit seinen 56.096 Einwohner:innen – allein diese Zahlen machen den Größenunterschied deutlich. Was ich inzwischen am Leben in der Kleinstadt lieben gelernt habe, liest du hier!
Vivian Winzler ...
... begann 2019 ihr Volontariat im Bereich Onlinekommunikation bei der Bertelsmann Stiftung. Seit 2021 ist sie dort als Crossmedia Managerin und Pressesprecherin tätig, mit einem besonderen Fokus auf junge Zielgruppen, Social Media und kulturelle Themen. Zuvor arbeitete sie vier Jahre als freie Journalistin für eine Bielefelder Tageszeitung, ehe sie 2021 in ihre Heimatstadt Bad Salzuflen zurückkehrte.
Mietpreiswahnsinn – auch auf dem Land?
Mit meiner Entscheidung, in einer Kleinstadt zu leben, bin ich längst nicht mehr allein: Immer mehr Menschen zieht es aufs Land. „Stadtflucht“ ist der etablierte Begriff dafür. Kein Wunder, denn die Mietpreise in den Großstädten sind in den letzten Jahren explodiert. Spitzenreiter sind München, Frankfurt und Berlin. Allein in München kostet der Quadratmeter rund 22 Euro. Da klingt das Leben außerhalb der Metropolen plötzlich doch ganz verlockend – der Mietspiegel für Bad Salzuflen zum Beispiel liegt zwischen 6,91 Euro und 10,45 Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommt der zusätzliche Platz – von einem eigenen Garten können viele meiner Freund:innen in Großstädten, wo ein Balkon bereits ein Luxusgut ist, nur träumen.
Nähe zur Natur: Wandern, Radfahren oder Schwimmen
Aber nicht nur Gärten bieten mehr Platz. Kleinstädte punkten auch mit ihrer Nähe zur Natur: Wälder oder Seen sind schnell zu erreichen und perfekt für Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, Radfahren oder Schwimmen. Gerade für Menschen mit Haustieren und Kindern ist das besonders toll.
Der Traum vom Eigenheim: Weniger spießig als gedacht
Haus, Garten und Hund – der Traum von einst wurde von vielen jungen Menschen zwischenzeitlich als veraltet und spießig abgestempelt. Dass der Umzug aufs Land aber nicht gleichbedeutend ist mit dem Verlust von Autonomie und Individualität, habe ich selbst erlebt. Heute geht der Trend eher wieder dahin, sich auf dem Land sein eigenes Reich zu schaffen. Auf TikTok, Instagram oder YouTube kann man viele junge Menschen auf dem oft holprigen Weg zum Traumhaus begleiten. Der Trend zum weißen Neubau ist dabei passé: Nahezu historische Ruinen werden zu vergleichsweise günstigen Preisen gekauft und von Grund auf neu gestaltet – ganz individuell nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen. Accounts wie Stadtlandflows und thewaywelive_ol machen es vor!
Generell entdecken immer mehr bekannte Influencer:innen die Vorzüge des Landlebens. So berichtet die Podcasterin und Moderatorin Laura Larsson auf ihren Kanälen von ihrem Leben in ihrer Heimatstadt Parchim, nachdem sie viele Jahre in Berlin verbracht hat. Auch die Youtuberin Sonny Loops kehrt der Hauptstadt nun den Rücken und lässt ihre Follower:innen an dem Gestaltungsprozess ihres Landhauses teilhaben.
Gut für die Umwelt: Fahrrad statt Bahnfahren
Klar, die Verkehrsanbindungen sind im Dorf wesentlich schlechter als in der Stadt. Und ja, der Bus fährt auch bei mir nur einmal in der Stunde. Dafür bin ich in den letzten Jahren wesentlich mehr Fahrrad gefahren als noch in der Großstadt. Die kurzen Wege von A nach B machen es möglich: Zehn Minuten zum Supermarkt oder zur besten Freundin – da kann auch die S-Bahn nicht mithalten. Ganz nebenbei hält man sich so fit und tut etwas Gutes fürs Klima.
Achtsames Kleinstadtleben: Töpfern statt Clubben
Wer sich die Wochenenden am liebsten im Club um die Ohren schlägt, wird in einem Kurort wie Bad Salzuflen eher nicht glücklich. Wer sich aber nach mehr Achtsamkeit im Leben sehnt, kann auch hier fündig werden. Und danach streben viele junge Menschen: Me-Time wird großgeschrieben und das Ausgehen rückt in den Hintergrund. Dafür bietet die Kleinstadt auch kreative Möglichkeiten sich auszuleben, sei es bei gemeinsamen Spaziergängen, beim Töpfern, in Malkursen oder in den kleinen Fitnessstudios, in denen die Atmosphäre oft familiärer ist als in Großstädten. Hier lassen sich zusätzlich soziale Kontakte mit Gleichgesinnten knüpfen. Ein positiver Nebeneffekt, denn besonders junge Menschen fühlen sich zunehmend einsam.
Macht das Kleinstadtleben glücklich?
Glaubt man verschiedenen Studien, sind die Menschen auf dem Land glücklicher als in der Großstadt. Das mag auch demografische Gründe haben: Wo der Wohlstand größer und das Armutsrisiko geringer ist, ist auch der gesellschaftliche Zusammenhalt stärker. Auch auf regionaler Ebene zeigt sich, dass Gegenden, die sich stärker in Richtung einer modernen Dienstleistungsgesellschaft entwickelt haben, im Durchschnitt etwas besser abschneiden als rein industriell geprägte Regionen. Und der gesellschaftliche Zusammenhalt ist ein entscheidender Faktor für die allgemeine Zufriedenheit der Menschen.
Ob das Leben in der Stadt, in einer kleinen Gemeinde, auf dem Dorf oder in einem Kurort glücklich macht, muss letztlich jede:r für sich selbst entscheiden. Vor rund fünf Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, wieder zurückzukehren. Und oft vermisse ich die Möglichkeiten und die Spontanität, die eine Großstadt mit sich bringt. Aber wenn ich mir in der Mittagspause meinen Hund schnappe und nach knapp zwei Minuten Fußweg in der Natur bin, fühlt sich das Kleinstadtleben doch ziemlich okay an.
Wie steht es um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland, egal ob auf dem Land, in Kommunen oder Städten? Damit beschäftigen sich die Expert:innen der Bertelsmann Stiftung im Projekt „Demokratie und Zusammenhalt“. Jetzt mehr erfahren!