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So angelst du dir mit der Lücke im Lebenslauf deinen Traumjob

Eine Frau springt vor einer grünen Bergkulisse in Peru fröhlich in die Luft Peter Conlan – unsplash.com/license

Gap Year: Diese Expertin erklärt, warum die Lücke im Lebenslauf eigentlich eine Chance ist

  • Larissa Klemme
  • Peter Conlan – unsplash.com/license
  • 19. Dezember 2023

Du hast eine Lücke im Lebenslauf, weil du zum Beispiel nach dem Abi ein Jahr Pause eingelegt hast? Das kann dir im Bewerbungsprozess sogar Vorteile bringen, sagt Larissa Klemme, Expertin für Beschäftigung im Wandel bei der Bertelsmann Stiftung. Auf change erzählt sie, wie sie ihr eigenes Gap Year verbracht hat und wie ihr das heute in der Arbeitswelt hilft.

Der Arbeitsmarkt verändert sich aktuell schneller als je zuvor. Digitalisierung, Dekarbonisierung, künstliche Intelligenz und der demografische Wandel sind nur einige Faktoren, die dazu beitragen, dass sich Berufe und Kompetenzen wandeln. Was sind die Future Skills, die immer wichtiger werden, um den Anforderungen von heute und morgen gerecht zu werden? Und wie kannst du diese Fähigkeiten in einem Gap Year entwickeln und für deine Karriere nutzen? Diese Fragen beantwortet Larissa Klemme in ihrem Gastbeitrag für change. Außerdem erzählt sie von ihrem eigenen Gap Year und was sie dabei gelernt hat.

Porträt von Larissa Klemme

Larissa Klemme

 … ist seit 2021 bei der Bertelsmann Stiftung als Projektmanagerin tätig und beschäftigt sich vor allem mit dem Thema „Future Skills“ auf dem Arbeitsmarkt für das Projekt „Beschäftigung im Wandel“. Nach ihrem Gap Year studierte sie International Development Studies an der Wageningen University in den Niederlanden und absolvierte anschließend ihren Master in Soziologie mit dem Schwerpunkt „Sozialstrukturen und soziale Ungleichheit“ an der Universität Bielefeld.


Im Gap Year Lektionen fürs Leben lernen 

Zwischen Schule und Studium oder Ausbildung oder vor dem Berufseinstieg eine Auszeit nehmen, beispielsweise in Form eines sogenannten Gap Years – darüber denken viele nach. Die Frage, die vorher allerdings bei einigen im Raum steht: Wird mich so ein Gap Year als Lücke im Lebenslauf irgendwann in einem Bewerbungsgespräch in Erklärungsnot bringen? Diese Sorge ist meiner Meinung nach unbegründet. Egal, ob du in deinem Gap Year einen Freiwilligendienst machst, auf Reisen gehst oder dir einen Nebenjob in deiner Heimatstadt suchst: Lernen wirst du auf jeden Fall viel!
 

Eine Frau in einem Lager scannt Codes von einem Paketaufkleber, im Hintergrund viele Kisten in großen Regalen, neben ihr ein Laptop mit technischen Daten.

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Nach dem Abi einfach mal was anderes probieren? Gute Idee!

Direkt nach dem Abitur habe ich ein Gap Year gemacht: Fünf Monate davon habe ich als Erntehelferin bei einem Saatzuchtbetrieb in Deutschland auf dem Feld gearbeitet, um mir das Geld für meine Work-and-Travel-Zeit in Neuseeland zu verdienen. Dort habe ich die restlichen sieben Monate des Jahres verbracht. Ich hatte damals großes Fernweh, wollte einen anderen Teil der Welt bereisen und nach dem Abitur und vor dem Studium einfach mal durchatmen. Auch wenn das zunächst nicht nach den besten Argumenten klingt, um zukünftige Arbeitgeber:innen von mir zu überzeugen: Fakt ist, dass ich in dieser Zeit mehr überfachliche Kompetenzen erworben habe als in vielen Schuljahren davor.
 

Was sind Future Skills?

Als Future Skills, also Fähigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt in Zukunft gefragt sein werden, werden in Studien zum Thema vor allem sogenannte „überfachliche Kompetenzen“ bezeichnet.

Dazu zählen unter anderem:

• Teamfähigkeit
• Kreativität
• Kritisches Denken
• Eigeninitiative

Warum werden diese Skills immer wichtiger?

Ohne kognitive Fähigkeiten wie eine schnelle Auffassungsgabe ist es schwierig, sich immer wieder neue Fachkompetenzen anzueignen, die wir in Zeiten von computergesteuerten Maschinen und künstlicher Intelligenz mehr denn je brauchen, weil sie uns anpassungsfähig an die Zukunft machen.

Was bedeutet das für dich?

Stärke deine Future Skills, denn menschliche Intuition, kreatives und logisches Denken sowie sehr hohes manuelles Geschick sind bisher noch uns Menschen vorbehalten und machen uns deshalb auf dem Arbeitsmarkt unentbehrlich.

Eine Lichterkette wird in Händen gehalten.


Wichtige Skills: Zeitmanagement, Anpassungsfähigkeit und Sorgfalt

Als Erntehelferin musste ich jeden Tag um sieben Uhr morgens auf dem Feld stehen. Wenn ich nur eine Minute zu spät kam, zog mir die Stempeluhr 15 Minuten von meiner Arbeitszeit ab. Ich kann ganz klar sagen: Mein Zeitmanagement hat sich hier deutlich verbessert. Die Arbeit auf dem Feld war körperlich anstrengend, in gebückter Haltung und bei jedem Wetter habe ich Ähren geschnitten. Der Wechsel von Hitze, Kälte und Regen erforderte zudem Anpassungsfähigkeit, sowohl bei der Kleiderwahl als auch bei der Arbeit selbst. Bei der Ernte auf dem Feld lernte ich auch, was Sorgfalt bedeutet: Hätte ich die geernteten Ähren einer Parzelle mit denen einer anderen Sorte abgepackt, hätte das schwerwiegende Auswirkungen auf die Sortenreinheit und negative Folgen für die weitere Sortenzüchtung gehabt.
 


Die eigenen Privilegien erkennen und positiv bleiben

Die meisten meiner Kolleg:innen bei der Ernte stammten aus Polen, Rumänien und Mazedonien, häufig Akademiker:innen, die in ihren Herkunftsländern keinen Job fanden. Sie verdienten einen großen Teil ihres Jahreseinkommens, indem sie in den Sommermonaten in Deutschland bei der Ernte halfen und es ihren Familien in der Heimat zum Lebensunterhalt schickten. Das hat mir gezeigt, wie privilegiert ich als Deutsche bin. Ich bin dadurch genügsamer und dankbarer für meine Lebenssituation geworden. Das hilft mir oft, mit einer positiven Grundeinstellung an verschiedene Herausforderungen heranzugehen. Durch die Zusammenarbeit und den Austausch mit Menschen aus verschiedenen Ländern hat sich nicht nur mein Englisch verbessert, sondern auch meine interkulturelle Kompetenz. Dasselbe gilt für die Monate, die ich anschließend in Neuseeland verbracht habe.
 

Eine junge Frau spielt lachend mit zwei Kindern in einer Kindertagesstätte

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Mit Work and Travel die Eigenverantwortung stärken

Während meines Work-and-Travel-Aufenthaltes in Neuseeland habe ich auf zwei verschiedenen Farmen gearbeitet. Auf einer davon sehr eigenverantwortlich – ich war oft allein und bekam größere Aufgaben, die mehrere Tage in Anspruch nahmen: Holz spalten und einlagern, den verwilderten Garten von Unkraut befreien, auf mehreren Hektar Jakobskreuzkraut ausreißen und Kühe melken. Ich habe gelernt, meine Kräfte einzuteilen und die Arbeit so zu gestalten, dass sie nicht zu monoton ist und trotzdem effizient erledigt werden kann.

Sich selbst besser kennenlernen und Selbstvertrauen gewinnen

Zwischen den Einsätzen auf den Farmen bin ich immer wieder durch Neuseeland gereist, auch hier waren wieder Organisations- und Planungsfähigkeiten gefragt: Wie lange brauche ich für welche Strecke? Wo finde ich eine Unterkunft? Eine Reise durch ein fremdes Land mit anderen Gegebenheiten, auf Menschen zugehen und nachfragen, wenn man etwas nicht versteht, und sich auf sich selbst verlassen, weil Freund:innen und Familie weit weg sind: Das stärkt das Selbstvertrauen, die Fähigkeit, Probleme zu lösen, und die eigene Kreativität ungemein!
 

Fränzi Kühne und Boontham Temaismithi auf einem Tandem.

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Gap Year: Im Lebenslauf erwähnen, nicht verstecken!

Meiner Meinung nach ist es also überhaupt nicht nötig, dein Gap Year im Lebenslauf zu verstecken, im Gegenteil: Erwähne es in deinem Bewerbungsschreiben und im Kennenlerngespräch mit potenziellen Arbeitgeber:innen, und erzähle ihnen, was du in dieser Zeit erlebt und gelernt hast. Ideal ist es, wenn du die gewünschten Kompetenzen aus der Stellenausschreibung aufgreifen kannst. Es kann sogar gut sein, dass Informationen über eher untypische Stationen im Lebenslauf bei potenziellen Arbeitgeber:innen besonders in Erinnerung bleiben.

So wird das Gap Year zum Einstellungsgrund

Mein eigenes Gap Year hat meinen Horizont erweitert, und gleichzeitig habe ich meine Grenzen besser kennengelernt. Zum Beispiel was körperliche Belastbarkeit bedeutet oder wie es ist, auf sich allein gestellt zu sein. Einige Arbeitgeber:innen bieten ihren Mitarbeiter:innen inzwischen an, für eine begrenzte Zeit in anderen Unternehmen und Branchen zu arbeiten. Damit soll genau dieser Perspektivwechsel gefördert werden, um von den neuen Erfahrungen und erworbenen Kompetenzen im eigenen Unternehmen zu profitieren. Studien und die Arbeitsmarktnachfrage zeigen, dass Arbeitgeber:innen sich Bewerber:innen mit einem breit aufgestellten Kompetenzprofil wünschen. Ich glaube deshalb: Mit der richtigen Argumentation, welche Kompetenzen im Gap Year erworben worden sind, kann aus einer vermeintlichen Lücke im Lebenslauf ein Einstellungsgrund werden.

Die Bertelsmann Stiftung widmet sich schon lange dem Thema „Kompetenzerfassung, -entwicklung und -anerkennung“, zum Beispiel im Projekt „Beschäftigung im Wandel“. Zurzeit setzen sich die Expert:innen aus dem Projekt besonders mit den Future Skills auf dem Arbeitsmarkt auseinander.