Sonderschule ade: Wie Inklusion unser Miteinander bereichert
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- 21. November 2018
Die gute Nachricht zuerst: Immer weniger Schüler mit einer Lernbehinderung gehen auf spezielle Förderschulen. Aber wie steht es wirklich um die Inklusion in Deutschland? Und welche Hindernisse müssen noch überwunden werden? change wirft einen Blick auf ein kontrovers diskutiertes Thema.
Lange hielt sich in Deutschland ein hartnäckiges Gerücht: Kinder mit speziellen Bedürfnissen gehören auf spezielle Schulen. Das ohnehin stark untergliederte deutsche Schulsystem kennt also neben den verschiedenen Schulformen wie Grund-, Haupt- und Realschule, Gymnasium und Gesamtschule etc. auch separate Förderschulen. Und damit nicht genug, auch diese sind nochmals untergliedert in Schulen für verschiedene Förderbedarfe: z.B. für seh- und hörbehinderte Kinder und Jugendliche, für solche mit geistigen oder körperlichen Behinderungen oder – nur in Deutschland – für Kinder mit Lernschwierigkeiten und etliche mehr.
Ein Grund dafür liegt über 100 Jahre zurück. Schulen für blinde oder gehörlose Kinder gab es schon länger – gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die sogenannten „Hilfsschulen“ für lernschwache Kinder eingerichtet, um die Volksschulen mit ihren „gesunden“ Schüler von den anderen zu „entlasten“. Es ist kein Zufall, dass vor allem arme Kinder aus den unteren Schichten diese Schulen besuchten.
Sonderschule als Stigma
Kinder mit speziellen Bedürfnissen wurden lange Zeit in einem schulischen Paralleluniversum unterrichtet – und blieben unter sich. Nur jedes vierte erlangte einen Abschluss. Entsprechend wenige Sonderschüler schafften auch den erfolgreichen Berufseinstieg. Das Label „Sonderschule“ haftet an vielen, auch lange nach dem Schulbesuch.
Dabei ist Inklusion rechtlich zwingend notwendig: Deutschland hat die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ein „inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen“ zu gewährleisten. Jeder hat das Recht auf höchstmögliche Bildung, unabhängig von besonderen Bedürfnissen. Und einige Bundesländer lösen Sonderschulen schon auf.
Die Herausforderungen für Inklusion sind groß
Eine der größten Herausforderungen in der Inklusion ist, dass Lehrkräfte lernen müssen, mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen umzugehen – das sind sie in unserem System aber nicht gewohnt. Außerdem gibt es insgesamt zu wenige Lehrer – und auch zu wenige Sonderpädagogen. Und natürlich sind viele Schulen noch nicht barrierefrei. Wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung herausfand, gibt es bei der Umsetzung des gemeinsamen Lernens auch große regionale Unterschiede.
Alle sollen teilhaben
Es geht jedoch ein leichter Trend in Richtung Teilhabe: Besuchten 2008 noch 4,9 Prozent aller Schüler eine Förderschule, waren es 2017 nur noch 4,3 Prozent. Bei Kindern mit Lernbehinderungen war der Rückgang sogar noch stärker: von 2,1 Prozent an Förderschulen auf nur noch 1,3 Prozent. Es geht um die Teilhabe aller, egal wie verschieden Talente und Hintergründe sind.
Wie geht es nach der Schule weiter?
Wie auch Schüler mit besonderen Lernerfordernissen den Sprung ins Berufsleben schaffen, das hängt in großem Maß von den Betrieben ab. Die viel zitierte „mangelnde Ausbildungsreife“ ist dabei oft ein Scheinargument – denn gerade in der Ausbildung werden viele Kompetenzen erworben, die für das Berufsleben fit machen.
Wie können wir in Vielfalt besser lernen? Das gleichnamige Projekt der Bertelsmann Stiftung geht dieser Frage nach. Außerdem vergibt die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen und der Deutschen UNESCO-Kommission den Jakob Muth-Preis für inklusive Schule. Ausgezeichnet werden Schulen, Verbünde und Schülerprojekte, die sich um Inklusion verdient gemacht haben.