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Kann künstliche Intelligenz klimafreundlich sein?

Ein Mann mit einem Tablett steht auf der Straße und schaut etwas nach Krakenimages.com - stock.adobe.com

Ökologischer Fußabdruck: Wie nachhaltig ist künstliche Intelligenz?

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  • 07. März 2025

Dass künstliche Intelligenz (KI) unser Leben erleichtert, ist mittlerweile klar. Doch die Technologie hat auch ihre Schattenseiten: Ihr ökologischer Fußabdruck ist enorm groß. Wir zeigen dir, was KI uns wirklich kostet und wie du sie nachhaltiger nutzen kannst.

Wie oft hast du heute schon eine Frage an ChatGPT gestellt? Künstliche Intelligenz hat in den letzten Jahren rasante Fortschritte gemacht und ist aus vielen Bereichen unseres Lebens nicht mehr wegzudenken. Doch wie so oft bringen technologische Errungenschaften auch Risiken mit sich: Denn KI verbraucht enorme Mengen an Ressourcen und belastet die Umwelt stark.
 


Der Energiehunger der KI

Dank nutzer:innenfreundlicher Anwendungen wie ChatGPT und Co. ist es heute für uns alle kinderleicht, KI zu nutzen: App öffnen, Anfrage eintippen oder einsprechen und innerhalb weniger Sekunden haben wir eine komplexe Aufgabe gelöst. Doch was im Vordergrund einfach, ja sogar fast magisch wirkt, ist im Hintergrund ein energieintensiver Prozess.

Energieintensives Training: Die Grundlage der KI

Damit eine KI überhaupt funktioniert, muss sie erst einmal trainiert werden. Dabei analysiert sie riesige Datenmengen, erkennt Muster und wird immer besser. Dieser Prozess läuft auf spezialisierten Hochleistungsservern in großen Rechenzentren ab, die viel Strom verbrauchen. Zudem erzeugen die Prozessoren enorme Wärme, weshalb leistungsstarke Kühlsysteme nötig sind, die ebenfalls Energie verbrauchen. Das Training eines einzigen großen KI-Modells kann dabei so viel Strom kosten, wie Hunderte von Haushalten in einem ganzen Jahr verbrauchen.
 

Wusstest du …

…, dass eine einzelne Anfrage an einen KI-Chatbot bis zu zehnmal mehr Strom verbrauchen kann als eine klassische Google-Suche? Während eine Google-Suche etwa 0,3 Wattstunden benötigt, schlägt eine Chatbot-Anfrage mit 2,9 Wattstunden zu Buche – damit könnte eine LED-Lampe zwei Stunden leuchten.


Nutzung: Jedes KI-Ergebnis kostet Strom

Doch nicht nur das Training von KI verbraucht viel Energie, auch ihr Betrieb ist teuer: Jedes Mal, wenn du eine KI befragst oder ein Bild generieren lässt, laufen komplexe Berechnungen in Rechenzentren ab, die rund um die Uhr mit Strom versorgt und gekühlt werden müssen. Dabei gilt: Je leistungsfähiger ein Modell ist, desto höher ist der Energiebedarf. Besonders rechenintensive Aufgaben, wie das Erstellen von Videos oder Bildern, verschlingen viel Energie.
 


Warum ist KI ein Klimaproblem?

Vielleicht ahnst du schon, warum KI in ihrer jetzigen Form ein Problem für unsere Umwelt darstellt: Viele Rechenzentren beziehen ihren Strom aus fossilen Energien, wodurch große Mengen CO₂ entstehen. Ein einziges KI-Modell kann beim Training so viel CO₂ verursachen wie fünf Autos in ihrer gesamten Lebensdauer. Und der weltweite Hunger nach Rechenleistung wächst rasant: Studien zeigen, dass der Stromverbrauch von Rechenzentren für KI und Digitalisierung in Europa bis 2030 auf über 150 Terawattstunden steigen wird. Um diesen Bedarf zu decken, denken manche Technologiekonzerne sogar darüber nach, stillgelegte Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen.

Wasser: Kühlen auf Kosten der Umwelt

Doch nicht nur CO₂ ist ein Problem: Auch der enorme Wasserverbrauch, vor allem für die Kühlung der Rechenzentren, hinterlässt Spuren.

Mit jeder KI-Anfrage wird indirekt Wasser verbraucht – bei einem längeren Chatbot-Gespräch mit zehn bis 50 Fragen etwa ein halber Liter. Das klingt nicht viel, aber hochgerechnet auf Millionen von Nutzer:innen weltweit sind das enorme Mengen – insbesondere in Regionen, die bereits mit Wasserknappheit kämpfen.

Rohstoffe: Der Preis für leistungsstarke Chips

Auch der steigende Bedarf an leistungsstarken Chips und Grafikkarten bringt Probleme mit sich. Für die Herstellung dieser Hardware werden seltene Rohstoffe wie Kobalt und Lithium benötigt. Ihr Abbau hat oft massive ökologische und soziale Folgen: Minen in Ländern wie dem Kongo oder Chile hinterlassen zerstörte Landschaften, verschmutzen Wasserquellen und gefährden lokale Gemeinschaften.
 

Kinder spielen ausgelassen auf einem Schulhof. Im Vordergrund springen mehrere Kinder mit erhobenen Armen von Felsen, ihre Bewegungen sind verschwommen. Im Hintergrund sieht man ein Schulgebäude mit großen Fenstern und eine rote Kletterstruktur. Die Szene strahlt Energie und Freude aus.

Künstliche Intelligenz im Schulunterricht: Was spricht dafür, was dagegen?


Warum wird kaum über die Klimafolgen von KI gesprochen?

Obwohl KI einen großen ökologischen Fußabdruck hat, wächst der politische und wirtschaftliche Druck, in KI zu investieren. Die negativen Folgen geraten dabei oft in den Hintergrund. Denn der Fokus liegt meist auf den beeindruckenden Fortschritten der Technologie. KI gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft, und Länder wie die USA, China und europäische Staaten investieren Milliarden in den Ausbau von Rechenzentren. Europa ist dabei der Akteur, der sich am kritischsten mit den Umweltauswirkungen von KI auseinandersetzt.
 


Nachhaltige KI: Geht das?

Puh, das klingt erst einmal beängstigend – aber die Technologie wird nicht einfach verschwinden. Deshalb müssen wir dringend nachhaltigere Lösungen finden. Erste Ansätze gibt es bereits: Das chinesische Unternehmen DeepSeek hat gezeigt, dass sich leistungsfähige KI-Modelle auch mit weniger Ressourcen entwickeln lassen. Auch das französische Start-up Mistral hat seine KI mit deutlich geringerem Aufwand trainiert und dabei trotzdem beeindruckende Ergebnisse erzielt.

Green AI: Künstliche Intelligenz nachhaltig gestalten

Ein Schlüsselbegriff in diesem Zusammenhang ist Green AI – also künstliche Intelligenz, die nicht nur leistungsfähig, sondern auch ressourcenschonend ist. Forschende und Initiativen auf der ganzen Welt arbeiten daran. In Deutschland unterstützt zum Beispiel der Green-AI Hub Mittelstand gezielt kleine und mittlere Unternehmen dabei, KI für Ressourceneffizienz und nachhaltige Prozesse zu nutzen. Auch die Politik ist gefordert, nachhaltige Standards für KI zu entwickeln und Anreize für klimafreundlichere Lösungen zu schaffen.
 

Porträt von Ole Wintermann, in einem schwarzen Anzug mit dunklem Hemd, der vor einem neutralen Hintergrund steht.

„KI-Nutzende und Unternehmen, die KI in ihre Prozesse einbauen, sollten jeweils darauf achten, dass wir am Ende mit KI mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz erreichen, ohne dass dieser Nutzen von klimaschädlichen Anwendungen zunichtegemacht wird.“

- Dr. Ole Wintermann, Senior Project Manager Generative KI & Leiter des Projekts "Zukunft der Nachhaltigkeit" bei der Bertelsmann Stiftung


Die andere Perspektive: KI für mehr Nachhaltigkeit

Außerdem dürfen wir die andere Perspektive nicht vergessen: KI kann auch für nachhaltige Zwecke eingesetzt werden. Sie wird bereits genutzt, um den Energieverbrauch in Städten zu optimieren, Lieferketten effizienter zu gestalten oder den Materialeinsatz in der Produktion zu reduzieren. Auch in der Klimaforschung spielt KI eine wichtige Rolle, indem sie hilft, Wetterextreme genauer vorherzusagen oder Lösungen für erneuerbare Energien zu verbessern.
 

KI gilt als die wichtigste Technologie der Zukunft, eine Zukunft, die du mitgestalten kannst, indem du KI bewusst und ressourcenschonend nutzt.


Nachhaltige KI-Nutzung: Was du tun kannst

Auch als User:innen haben wir Einfluss: Wer bewusster mit KI umgeht und Anwendungen von Unternehmen nutzt, die Verantwortung übernehmen, kann dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck der Technologie zu reduzieren. Hier sind ein paar Tipps, wie du KI nachhaltiger nutzen kannst:

● Effizienter prompten: Überlege dir vor der Nutzung genau, welche Informationen du brauchst, und formuliere deine Anfragen so präzise wie möglich. So reduzierst du unnötige KI-Abfragen und sparst Ressourcen.

● KI nur nutzen, wenn nötig: Nicht auf jede Frage braucht es eine KI-generierte Antwort. Oft bekommst du die Informationen schneller und ressourcenschonender durch klassisches Googeln. Bevor du eine KI nutzt, überlege noch einmal, ob es auf deine Frage eine eindeutige, faktenbasierte Antwort gibt, die du auch durch eine gezielte Suche finden könntest. Wenn ja, ist eine herkömmliche Suchmaschine meist die bessere Wahl. KI eignet sich besonders für komplexe oder kreative Aufgaben, bei denen eine strukturierte Suche nicht ausreicht.

● KI-Technologien hinterfragen: Nicht jede Technologie, die KI nutzt, ist auch tatsächlich notwendig oder besser. Manchmal sind herkömmliche Lösungen, die nicht auf KI basieren, genauso effektiv, aber ressourcenschonender. Braucht es zum Beispiel einen Staubsauger mit KI? Bevor du eine KI-Anwendung nutzt, stell dir die Frage, ob du für diese Aufgabe wirklich eine KI benötigt oder ob es nicht eine andere Lösung gibt.

● Spezialisierte KIs nutzen: Kleinere, spezialisierte KIs verbrauchen oft deutlich weniger Energie als die riesigen Alleskönner-Modelle. Sie sind für bestimmte Aufgaben optimiert – zum Beispiel für einfache Textzusammenfassungen.

● Offline-Optionen prüfen: Manche KI-Anwendungen lassen sich auch offline nutzen, sodass sie keine ständige Verbindung zur Cloud benötigen. Das spart nicht nur Energie, sondern schützt auch deine Daten. Gerade für Aufgaben wie Spracherkennung oder Textverarbeitung gibt es mittlerweile effiziente Offline-Alternativen, wie zum Beispiel die App Fullmoon.

Zwei junge Frauen sitzen auf einem Sofa und schauen auf ihre Smartphones.

Positive Algorithmen: So kann Künstliche Intelligenz die Gesellschaft stärken


Der Weg ins nachhaltige KI-Zeitalter

KI ist ein mächtiges Werkzeug – aber sie sollte verantwortungsvoll eingesetzt werden. Die gute Nachricht ist: Wir stehen erst am Anfang und können noch viel tun, um künstliche Intelligenz nachhaltiger zu gestalten. Unternehmen, Politik und Forschung arbeiten bereits an Lösungen, um den Ressourcenverbrauch zu reduzieren. Je mehr Menschen nachhaltige Technologien fordern und nutzen, desto eher wird sich der Markt in eine grünere Richtung bewegen. Die Zukunft der KI muss nicht zwangsläufig eine ökologische Belastung sein – sie kann auch Teil der Lösung werden.

Du möchtest mehr über nachhaltige Technologie und verantwortungsvolle Digitalisierung erfahren? Im Projekt reframe[Tech] setzten sich die Expert:innen der Bertelsmann Stiftung mit aktuellen Trends und Hintergründen auseinander.