Von Co-Elternschaft bis Patchwork: Vor diesen Herausforderungen stehen Familien heute
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- 08. Februar 2019
Schon seit Langem bedeutet „Familie“ nicht nur: Mutter, Vater, Kind. Das Zusammenleben in Familien ist heute diverser denn je. Mit dieser Vielfalt an Familienformen stehen wir allerdings auch vor neuen Herausforderungen, die die Familienpolitik berücksichtigen muss.
Die Kernfamilie, ein verheiratetes heterosexuelles Ehepaar mit biologischem Kind, galt lange Zeit als Ideal der Familienformen. Sie ist allerdings eine historische Ausnahme, die sich in den 1950er- und 1960er-Jahren durchgesetzt und damit die heutige Familiennorm geschaffen hat. Vielfältige Familienformen hat es (zum Beispiel aus sozialen und ökonomischen Gründen) schon immer gegeben. Im Unterschied zu damals sind Familien heutzutage aber meist aufgrund freiwilliger Entscheidungen so divers.
Familien im Wandel der Zeit
Unter den Familienformen verstehen wir heute unter anderem Einelternfamilien, Patchworkfamilien, Regenbogenfamilien, soziale Elternschaft, Co-Elternschaft und die Klein- oder Kernfamilie. Familienbeziehungen beschränken sich nicht unbedingt auf einen Haushalt – einige Kinder getrennter Eltern leben teils bei der Mutter, teils beim Vater. Diversität zeigt sich auch darin, dass heute mehr als ein Viertel aller Kinder einen Migrationshintergrund hat.
International Family Equality Day
Familien im Wandel: Seit Juli 2011 feiern Menschen weltweit den International Family Equality Day, ein internationaler Tag der Vielfalt der Familienformen. Der Europarat sieht den Tag als ein wichtiges Mittel, um Homo- und Transphobie zu bekämpfen und eine tolerante Gesellschaft zu schaffen. Dieses Jahr findet das Fest am 5. Mai unter dem Motto „Families: United We Stand“ statt.
Fortschritt und Herausforderungen von Familien heute
Es ist keine 50 Jahre her, dass Frauen ohne Erlaubnis ihres Ehemannes nicht arbeiten durften. Homosexualität stand sogar bis 1994 noch unter Strafe. Heute sind die meisten Menschen freier von ökonomischen und sozialen Zwängen als früher. So ist der gesellschaftliche und wirtschaftliche Druck, eine gescheiterte Ehe weiterzuführen, inzwischen wesentlich geringer. Jedes fünfte Kind wächst mittlerweile in einer alleinerziehenden Familie auf. Ein großer Schritt für eine gleichberechtigte Familiengründung war die Ehe für alle, die 2017 in Kraft trat. Seitdem können gleichgeschlechtliche Paare heiraten und auch Kinder adoptieren.
Diese Entwicklungen geschehen aber nicht ohne Herausforderungen. Traditionelle Geschlechter- und Familienbilder sowie gesellschaftliche Normen führen noch immer zu Diskriminierung von Familien, die von der Norm abweichen. Politik und Gesellschaft hinken ihrer Zeit hinterher.
So gibt es noch immer rechtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Familienformen. Zum Beispiel können Kinder rechtlich nicht mehr als zwei Elternteile haben, denn so eine Familienform existiert nicht vor dem Gesetz. Auch haben Babys, die durch eine fremde Samenspende geboren wurden, automatisch zwei rechtliche Elternteile – wenn die Eltern ein verheiratetes heterosexuelles Paar sind. Ist aber etwa die leibliche Mutter des Kindes mit einer Frau verheiratet, muss die Partnerin das Kind adoptieren, um rechtlich ein Elternteil zu werden. Eine Gesetzesreform soll das nun ändern.
Auch die Familienpolitik orientiert sich noch zu sehr an bestimmten Rollenbildern wie einem verheirateten Paar mit Kindern. Dabei gehören die Kinder in den Mittelpunkt, egal aus welchen Familienformen sie kommen. Sie haben ein Recht auf faire Chancen.
Das wird vor allem dann zum Problem, wenn weitere Herausforderungen dazu kommen wie zum Beispiel unsichere Beschäftigungsverhältnisse, schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie fehlende gute Kitas und Schulen. Kinder- und Familienarmut können die Folge sein. Besonders drastisch ist die Situation für Alleinerziehende: Mehr als zwei Drittel von ihnen sind von Armut betroffen und sie beziehen fünfmal häufiger Hartz IV als Paarfamilien. Familien mit Migrationshintergrund sind außerdem doppelt so oft von Armut gefährdet als Familien ohne diesen Hintergrund. Und Kinder mit Zuwanderungsgeschichte haben weiterhin schlechtere Chancen im Bildungssystem.
Die Familienpolitik der Zukunft
Die Vielfalt der Familienformen anzuerkennen, ist eine große Herausforderung für die Politik. Sie sollte sich daran orientieren, was Kinder und ihre Familien brauchen – ohne Stigmatisierung. Das fängt bei finanzieller Sicherheit für jede Familie an und berührt noch viele andere Bereiche. Bildungs- und Teilhabechancen sollten für alle Kinder gleich sein, unabhängig von sozialer, ökonomischer und kulturell-ethnischer Herkunft. Außerdem brauchen Kinder, Jugendliche und Eltern eine gute Infrastruktur vor Ort und verlässliche Ansprechpartner*innen.
Ausbildung und Beruf müssen flexibler werden, wenn Eltern arbeiten und gleichzeitig Kinder erziehen. Die Gleichberechtigung aller Geschlechter gibt nicht nur Frauen die Möglichkeit, ihrer Arbeit nachgehen zu können, sondern auch den Männern die Chance, aktiv in der Vaterrolle zu sein. Schließlich brauchen alle Familien – egal wie sie aussehen – Zeit für- und miteinander.
Aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen: Das Projekt „Familie und Bildung: Politik vom Kind aus denken“ der Bertelsmann Stiftung stellt die Bedarfe, Rechte und Interessen von Kindern in den Mittelpunkt. Mehr Infos zu den verschiedenen Projektthemen gibt es hier.