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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

So kann der Arbeitsmarkt für Frauen gerechter werden

Eine Frau arbeitet in einer Lagerhalle
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Drazen - stock.adobe.com

So kann der Arbeitsmarkt für Frauen gerechter werden

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  • 26. Juni 2024

Auf den ersten Blick ist es eine Erfolgsstory: Frauen sind die Aufsteigerinnen in der Arbeitswelt der letzten vier Jahrzehnte. Sie verdienen mehr, sind besser ausgebildet und auf dem Arbeitsmarkt viel häufiger vertreten als früher. Dennoch geht es ihnen längst nicht so gut wie ihren männlichen Kollegen. change zeigt, wie groß die Unterschiede sind und wie wir die Lücken schließen können.

Stell dir vor, dein Kollege verdient mehr Geld, obwohl ihr in der gleichen Position arbeitet – und du sogar einen höheren Abschluss hast. Für viele Frauen ist das kein Gedankenspiel, sondern Realität. Denn obwohl sich auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahrzehnten viel getan hat, werden Frauen nach wie vor strukturell benachteiligt.

1. Wir brauchen: Chancengleichheit von Anfang an

Der Weg zu einer gerechteren Arbeitswelt für Frauen beginnt bereits in Ausbildung und Studium. Vor allem an den Hochschulen gibt es eine positive Entwicklung: Die meisten Unis haben mehr Studentinnen als Studenten. Dennoch sind weibliche Vorbilder in der Wissenschaft immer noch unterrepräsentiert: Nur jede fünfte Fakultätsleitung ist weiblich. Auch bei der Fächerwahl im Studium überwiegen oft noch die klassischen Rollenbilder: Frauen studieren eher soziale Fächer, Männer technische. Eine Initiative, die das ändern will, ist der Girls' Day. Hier lernen Mädchen, dass sie bei der Studien- und Berufswahl ihren Interessen und nicht vermeintlichen Klischees folgen sollten. Auch die MissionMINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) will Frauen dazu ermutigen, auch klassische Männerberufe zu ergreifen, wenn sie das wollen.
 

Eine Frau steht mit verschränkten Armen vor einem Fenster und schaut hinaus.

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2. Gleichstellung heißt auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die gute Nachricht: Immer mehr Frauen sind erwerbstätig. Die schlechte Nachricht: Gleichzeitig ist die Zahl der von Frauen geleisteten Arbeitsstunden nur um die Hälfte gestiegen. Das liegt daran, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer. Viele Frauen müssen neben der Arbeit auch noch die Verantwortung für Kinder übernehmen: Fast 85 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Um Frauen, die vor dieser Herausforderung stehen, zu unterstützen, müssen Arbeitgeber:innen mehr Flexibilität ermöglichen, denn flexible Arbeitszeitmodelle können stark entlasten, wenn es darum geht, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Auch die Initiative „Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung“ ist ein Schritt in Richtung Selbstverwirklichung von Alleinerziehenden.

3. Frauen brauchen mehr Selbstvertrauen

Heute haben deutlich mehr Frauen einen Hochschulabschluss als noch vor 40 Jahren. Doch Bildungserfolg bedeutet nicht immer auch Erfolg im Beruf: 14,6 Prozent der Frauen in Deutschland sind für ihre Tätigkeit formal überqualifiziert, bei den Männern sind es nur 10,1 Prozent. In Führungspositionen sind Frauen trotz gleicher Qualifikation weiterhin unterrepräsentiert. Frauen brauchen mehr Selbstvertrauen, um in Führungspositionen erfolgreich zu sein. Programme zur Stärkung des Selbstvertrauens und gezielte Mentoring-Initiativen können dazu beitragen, Frauen zu ermutigen, sich aktiv für Führungspositionen zu bewerben und ihre Potenziale zu entfalten. Die Initiative #StarkeFrauenStarkeWirtschaft setzt sich beispielsweise dafür ein, dass Frauen ihre Potenziale besser nutzen.
 

Eine Frau in einem Lager scannt Codes von einem Paketaufkleber, im Hintergrund viele Kisten in großen Regalen, neben ihr ein Laptop mit technischen Daten.

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4. Lücken schließen, vor allem den Gender Pay Gap

Im Idealfall macht dir deine Arbeit Spaß, aber natürlich willst du auch Geld verdienen, oder? Männer verdienen im Durchschnitt immer noch mehr als Frauen. Dafür gibt es viele Gründe. Sie reichen von der Berufswahl bis hin zu familiären Verpflichtungen. Der Unterschied zwischen den Geschlechtern verringert sich dabei nur langsam. Der sogenannte „bereinigte Gender Pay Gap“ liegt in Deutschland bei sechs Prozent. Das bedeutet, dass Frauen bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit sechs Prozent weniger verdienen – nur weil sie Frauen sind. Klingt das fair? Um dieser Ungerechtigkeit entgegenzuwirken, sind Maßnahmen zum Abbau der geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede dringend erforderlich. Beispielsweise transparente Gehaltsstrukturen und Programme zur Sensibilisierung von Unternehmen. Aber auch mehr Frauen in Führungspositionen können dazu beitragen, indem sie eine Vorbildfunktion für andere Frauen übernehmen.
 


5. Gender Care Gap: Alles bleibt an den Frauen hängen

Nach der Arbeit haben wir meist keine Lust mehr auf lästige Hausarbeiten wie Putzen, Kochen und Wäschewaschen. Dass diese unbezahlte Sorgearbeit trotzdem gemacht werden muss, scheinen Frauen besser zu wissen, denn sie wenden im Schnitt immer noch 43,8 Prozent mehr Zeit dafür auf als Männer. Im Durchschnitt verbringen Frauen rund 30 Stunden pro Woche mit Care-Arbeit. Das ist fast eine zusätzliche Teilzeitstelle. Zur Sorgearbeit gehört neben der Hausarbeit auch die Kindererziehung. Die Aufteilung der Sorgearbeit innerhalb einer Familie wird durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflusst, auch wenn sie oft als private Entscheidung angesehen wird. Vor der Geburt eines Kindes ist die Aufteilung meist ziemlich ausgeglichen, mit der Zeit setzen sich jedoch oft traditionelle Rollenmuster durch, und Frauen übernehmen deutlich mehr Sorgearbeit. Um den Gender Care Gap langfristig zu verringern, müssen die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass Frauen und Männer sich die unbezahlte Sorgearbeit gleichberechtigt und attraktiv aufteilen können.

Politik und Wirtschaft müssen handeln

Trotz der vielen Initiativen, Programme und Menschen dahinter, die sich für Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt einsetzen, gibt es also noch einige Hürden zu überwinden. Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen schließt sich nur langsam, denn strukturelle Benachteiligungen verschwinden nicht von heute auf morgen. Im Kampf um Lohngerechtigkeit und Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt müssen sich auch Politik und Wirtschaft noch stärker für einen Kulturwandel einsetzen.

„Wer gewinnt, wer verliert?“ Diese Frage stellen sich auch die Expert:innen der Bertelsmann Stiftung. Sie untersuchen aktuelle Herausforderungen und Potenziale von Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland sowie die Gleichstellung am Arbeitsmarkt.