Einbürgerung in Deutschland: Das haben Doppelstaatler:innen erlebt
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- 20. Februar 2023
Bürger:in mehrerer Staaten zu sein, ist in Europa heute keine Seltenheit mehr. Doch nicht in jedem Land ist es gleichermaßen leicht, anzukommen und Fuß zu fassen. change hat mit Doppelstaatler:innen über ihre Erfahrungen bei der Einbürgerung in Deutschland gesprochen. Wie willkommen fühlen sie sich hier?
In Deutschland lebten im Jahr 2021 knapp zweieinhalb Millionen Menschen, die neben der deutschen noch eine weitere Staatsangehörigkeit besaßen. Viele Menschen wachsen in mehreren Kulturkreisen auf oder entscheiden aus anderen Gründen, sich hierzulande eine zweite Heimat aufzubauen. Umso schöner ist es, wenn sie die Möglichkeit bekommen, auch formell beiden Staaten gleichermaßen anzugehören. In Deutschland ist dies jedoch eher die Ausnahme.
Doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland: Mehrstaatigkeit ist kein Regelfall
Was würdest du tun, wenn du dich entscheiden müsstest: Deinen Pass aufgeben für einen neuen, deutschen? Vielen Menschen, die Deutsche werden wollen, stellt sich diese Frage. Denn in Deutschland sind zwei und mehr Pässe alles andere als die Regel. Einen generellen Anspruch auf „Mehrstaatigkeit“, wie es auf Amtsdeutsch heißt, gibt es nicht. Das regelt in Deutschland das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) – das auf einem alten Gesetz von 1913 beruht.
Wann darf man in Deutschland Doppelstaatler:in sein?
Ausnahmen gibt es für Bürger:innen der EU oder der Schweiz. Auch Kinder, die sowohl einen deutschen als auch einen andersstaatlichen Elternteil besitzen, haben automatisch beide Staatsangehörigkeiten. Manchmal lässt das Recht des Herkunftslandes keine Möglichkeit zu, die bisherige Nationalität abzulegen. Zu diesen Ländern gehören zum Beispiel Algerien, Brasilien, Ecuador, Libanon oder Thailand. Auch in diesem Fall wird in Deutschland die doppelte Staatsbürgerschaft gewährt. Ansonsten muss Mehrstaatigkeit in Deutschland extra beantragt und ausführlich begründet werden.
Lisa Reichardt
„Ich bin mit zwei Sprachen und deutscher und französischer Kultur aufgewachsen und habe mich somit schon immer als Deutsche und Französin identifiziert. Für mich gehört es zu meinem Selbstverständnis, dass ich beide Staatsbürgerschaften habe und in beiden Kulturräumen partizipieren kann.“
Als Doppelstaatler:in geboren
Lisa Reichardt ist 20 Jahre alt und im Jahr 2020 für ihre Ausbildung nach Berlin gezogen. Sie ist in Frankreich geboren und hat seit ihrer Geburt zwei Staatsangehörigkeiten. Ihre Mutter ist Französin und ihr Vater Deutscher. Wir haben Lisa fünf Fragen dazu gestellt, was es für sie bedeutet, Doppelstaatlerin zu sein:
Für Lisa ist Deutschland mittlerweile zu ihrem zweiten Zuhause geworden. Sie schätzt die im Vergleich zu Frankreich geringen Lebenshaltungskosten und dass das Studieren hier günstiger ist. Auch dass sie in Deutschland wählen darf, ist für Lisa sehr wichtig.
Einbürgerung durch Abstammung
Lisa hat bis zu ihrem 18. Lebensjahr in Frankreich gewohnt. Als sie nach Deutschland zog, hatte sie schon die deutsche Staatsbürgerschaft. Da ihr Vater Deutscher ist, gab es bei ihrer Einbürgerung keine Probleme: „Als ich mit 13 meinen deutschen Pass bekommen habe, musste ich zum Amt nach Maintal, die Heimatstadt von meinem Vater. Damit ich in Deutschland gemeldet bin, mussten beide Elternteile einverstanden sein und dem zustimmen. Ein paar Unterschriften hier und da – dann war ich auch schon in Deutschland gemeldet. Das war kein langer Prozess, aber viel Bürokratie etc. für meine Eltern.“
Elyz Saleh Kirsch
„Bei mir war das selbstverständlich, dass ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen möchte, aber vor allem war es mir wichtig, dass ich die libanesische Staatsbürgerschaft behalten darf. Als Libanesin ist das ein Riesenthema, einen anderen Pass zu besitzen, um bessere berufliche Chancen zu ergreifen.“
Chance Deutschland: Weniger Stress und bessere Lebensumstände
Elyz Saleh Kirsch, gebürtige Libanesin, kam im August 2006 für ihren damaligen Ehemann nach Deutschland. Die 41-Jährige wohnt mittlerweile in Dresden und hat seit elf Jahren, neben ihrer libanesischen, auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Das denkt sie über das Besitzen beider Pässe:
Elyz schätzt die Privilegien sehr, die ihr die deutsche Staatsbürgerschaft bringen. Jedoch berichtet sie auch, dass sie sich manchmal zwischen ihren Identitäten hin- und hergerissen fühlt.
Willkommen in Deutschland: Nicht bei jeder Behörde
Der Einbürgerungsprozess in Deutschland lief für Elyz größtenteils reibungslos. Dass ihr Ehemann Deutscher war, hat einige Abläufe für sie vereinfacht. Sie hat aber zu Beginn auch Ablehnung durch die deutschen Behörden erfahren. Nachdem sie dann einige Jahre in Deutschland war, die Sprache besser beherrschte und sich mehr integriert fühlte, ging alles sehr schnell. Drei Monate nachdem sie den Einbürgerungstest bestanden hatte, erhielt sie eine Einladung zur Einbürgerungsfeier.
Einbürgerungsfeier: Ein emotionales Event
Elyz wurde 2011 in Braunschweig, Niedersachsen, eingebürgert. Dort fanden damals schon Feierlichkeiten im Rahmen der Einbürgerung statt, obwohl das zu dieser Zeit in Deutschland eher unüblich war. Für Elyz war die Einbürgerungsfeier sehr emotional und sie hat noch immer positive Erinnerungen an diesen Moment: „Es war eine sehr schöne Feier, mit einer Künstlerin, die Klavier gespielt hatte, und es gab ein paar rührende Worte vom Bürgermeister. Danach wurden wir mit Namen gerufen und uns wurde die Urkunde überreicht, mit einer Blume.“
Diego Rivera de Kolschen
„Es war schwierig, sich anzupassen, da ich damals kein Wort Deutsch gesprochen habe. Ich habe mich aber willkommen gefühlt und habe aus Deutschland meine zweite Heimat gemacht. Mittlerweile habe ich zwei Kinder, die auch schon groß sind.“
Von Ecuador nach Deutschland
Diego Rivera de Kolschen ist Supervisor (Chef de Rang) in einem Restaurant in der Hamburger HafenCity und wohnt im Stadtteil Rotherbaum. Der 36-Jährige kam 2001 aus Quito in Ecuador nach Deutschland. Damals konnten Kinder aus Ecuador ohne Visum nach Deutschland kommen, wenn sie dort Verwandte hatten. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten aufgrund der Sprache und der fremden Kultur hat sich Diego in Deutschland willkommen geheißen gefühlt und lebt mittlerweile sehr gern hier.
Ecuadorianisch: Eine Nationalität, die nicht abgelegt werden kann
Seit 2016 hat Diego neben seiner ecuadorianischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Er hat sich sehr darüber gefreut, den ecuadorianischen Pass behalten zu können. Genau wie der Libanon zählt Ecuador zu den Ländern, in denen das Ablegen der Staatsangehörigkeit rechtlich nicht möglich ist. Da Diego schon seit dem Kindesalter in Deutschland lebt, lief die Einbürgerung für ihn größtenteils reibungslos.
„Es war relativ einfach, da ich alle Anforderungen erfüllte. Ich habe den Antrag gemacht und es wurde alles in die Wege geleitet“, berichtet er. Und auch seine Einbürgerungszeremonie hat ihm sehr gut gefallen: „Ich musste zur Behörde und meinen Einbürgerungsschwur ablegen und hab meine Papiere bekommen. Ein schönes Gefühl, muss ich sagen.“
Einbürgerung in Deutschland soll einfacher werden
Seit Ende 2022 werden die Pläne der Ampelkoalition konkreter, die Einbürgerung in Deutschland zu erleichtern. Die Einbürgerung soll grundsätzlich schneller erfolgen – nach fünf statt nach acht Jahren – und auch die Mehrstaatigkeit soll hierzulande in Zukunft akzeptiert werden. Damit könnte die doppelte Staatsbürgerschaft in Deutschland schon bald zum Alltag gehören.
Über fünf Millionen Menschen leben bereits seit mehr als zehn Jahren in Deutschland, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen. Für sie wäre das vereinfachte Einbürgerungsverfahren eine Chance – und ein Zeichen der Akzeptanz und Wertschätzung.
Auch die Bertelsmann Stiftung ist der Überzeugung, dass Migration in Deutschland vielfältige Chancen eröffnen kann. Im Rahmen des Projekts „Migration fair gestalten“ werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Migration zum Vorteil aller gestaltet werden kann.