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change Magazin – Das Magazin der Bertelsmann Stiftung

So geht's: Kostenlose Vorlesungen von Harvard & Co.

Eine junge Frau schaut auf ihren Laptop, in dessen Browserfenster eine Online-Lernanwendungen geöffnet ist Annie Spratt – unsplash.com/license

Ohne Abitur an die Spitzen-Uni – mit MOOCs

  • Annie Spratt – unsplash.com/license
  • 19. April 2021

Zugang zu Wissen ist so leicht wie noch nie. Elite-Universitäten wie Harvard oder die Sorbonne bieten kostenlose Online-Kurse an. Digitale Lernveranstaltungen weltweit erreichen Millionen von Menschen, die vor wenigen Jahren nie die Chance gehabt hätten, an solchen Angeboten teilzunehmen. change wirft einen Blick auf Vorteile und Risiken dieser Entwicklung.

Wissen für alle! Was erst einmal nach einer Forderung realitätsferner Weltverbesserer:innen klingt, ist längst Realität. Durch Online-Kurse und -Seminare sowie durch Algorithmen und künstliche Intelligenz wird Wissen und gute Bildung immer zugänglicher. Die digitale Bildungsrevolution hat längst begonnen. Die Frage ist, wie man ihre Chancen nutzt.
 


MOOCs: Spitzenbildung zum Nulltarif

Wie können möglichst viele Menschen Zugang zu Wissen erhalten? Das Zauberwort heißt MOOC: Massive Open Online Course. Für diese Online-Kurse gibt es in der Regel keine Zugangsbeschränkungen, man muss also nicht extra zugelassen werden. Die Hürden, an Spitzenbildung teilzuhaben, sind weitaus niedriger als offline. Man braucht nur Zeit, Interesse, Ausdauer und einen Internetzugang. Die Elite-Uni Harvard beispielsweise bietet eine Vielzahl von MOOCs an, von Anatomie über Literaturwissenschaften bis hin zu Programmiersprachen – und zwar kostenlos. Sonst liegen Studiengebühren schnell mal über 50.000 US-Dollar im Jahr. Wer hier im Online-Hörsaal Platz nehmen will, sollte gute Englischkenntnisse mitbringen, um die Kurse zu verfolgen.

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xMOOCs, cMOOCs, P4P MOOCs: So divers sind Massive Open Online Courses

MOOC ist nicht gleich MOOC. Die Online-Massenveranstaltungen der großen Universitäten sind meist sogenannte xMOOCs. Das „x“ steht für „extension“ – so werden in Harvard Online-Kurse im Vorlesungsverzeichnis gekennzeichnet. Typisch für xMOOCs ist, neben den Lernvideos, die Abfrage von Wissen anhand von Tests. Das können kleine Quiz oder auch Hausarbeiten sein. cMOOCs hingegen sind interaktiver, die Teilnehmenden entscheiden selbst, wie sie sich einbringen. Hier steht die Vernetzung zwischen Lehrenden und Lernenden im Vordergrund, das „c“ steht für „connectivism“. Die P4P MOOCs organisieren Lernende für Lernende, die MOOCS werden selbst erstellt. Eine typische Herangehensweise dieser „Peer for Peer“-MOOCs ist die Methode des „Flipped Classrooms“: Bei dieser Art des „umgedrehten Unterrichts“ erarbeiten die Lernenden zu Hause die Lerninhalte und wenden sie dann im MOOC an.

Über 180 Millionen Menschen lernen in MOOCs

Seit dem Geburtsjahr der MOOCs 2012 steigen die Zahlen der Teilnehmenden genauso wie die Anzahl der anbietenden Institutionen: Von der Bertelsmann Stiftung gibt es MOOCs zu Themen wie „Citizenship Education“ oder „Vielfalt fördern“. Und auf oncampus.de kannst du noch viele weitere deutschsprachige MOOCs entdecken. Im Jahr 2020 nahmen mehr als 180 Millionen Menschen an MOOCs teil, über 950 Universitäten weltweit boten Online-Kurse für alle an. Corona hat diesen Trend noch verstärkt, die Unis reagieren darauf mit noch mehr Angeboten. Doch gerade die Unis, Schulen und andere traditionelle Bildungseinrichtungen sehen das massenhafte digitale Lernen auch mit Sorge. Verlieren sie durch die Online-Angebote in Hülle und Fülle nicht zunehmend an Bedeutung? Diese und weitere spannende Fragen diskutiert Jörg Dräger in seinem Podcast „Die digitale Bildungsrevolution“, dessen erste Folge zur Demokratisierung von Bildung mittels MOOCs du hier findest:
 


Digitales Lernen kann Bildung demokratisieren

Fakt ist, dass vormals weniger zugängliche Bildungsangebote durch die digitale Bildungsrevolution immer mehr Menschen offenstehen. Gerade in Ländern, wo gute Bildung immer noch zu einem großen Teil vom Geldbeutel der Eltern abhängt, können MOOCs einen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit leisten. Natürlich reicht das nicht, um die Gesellschaft umzukrempeln. Aber der freie Zugang zu Bildung ist ein erster Schritt, den sozialen Aufstieg für immer mehr Menschen zu ermöglichen.

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Und was passiert mit meinen Daten?

Das Geniale am digitalen Lernen: Es kann genau auf Bedürfnisse und Fähigkeiten des Einzelnen ausgerichtet werden. So bei der US-amerikanischen School of One: Hier werden individuelle Stundenpläne für jede:n Lernende:n anhand der tagesaktuellen Lerndaten erstellt. Ein Computer wertet aus, welcher Stoff für den persönlichen Lernfortschritt am besten geeignet ist. Der Datenschatz erlaubt maßgeschneidertes Lernen, wo Schüler:innen sonst im Frontalunterricht zurückbleiben würden. Was aber passiert, wenn sensible Daten nicht ausreichend geschützt werden? So geschehen beim populären Anbieter Coursera, wo eine Sicherheitslücke Lehrenden erlaubte, sämtliche Daten von Studierenden herunterzuladen und so Rückschlüsse auf Religionszugehörigkeit oder zur Gesundheit zu ziehen.

Das sehen auch Bildungsexpert:innen als Problem: „Das Optimieren von Lernwegen mag eine solch gigantische Datensammlung rechtfertigen“, schreiben Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt in ihrem Buch „Die digitale Bildungsrevolution“, geben aber zu bedenken: „Ebenso gerechtfertigt ist allerdings die Frage: Was passiert zukünftig mit diesen persönlichen Informationen?“ Auch beim digitalen Lernen spielt Datensouveränität, also Kontrolle über die eigenen Daten, eine große Rolle. Sonst droht die Gefahr, dass digitale Bildung nicht mehr Gerechtigkeit, sondern neue Ungerechtigkeit schafft.

Wohin führt die digitale Bildungsrevolution? Das diskutieren Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt in ihrem gleichnamigen Buch. Jörg Dräger ist Bildungsexperte und Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, Ralph Müller-Eiselt Direktor des Programms „Megatrends“. Beide bloggen auf schule21.blog über Folgen, Chancen und Risiken der Digitalisierung. Hörtipp: In seinem Podcast „Die digitale Bildungsrevolution“ beleuchtet Jörg Dräger mit vielen Beispielen, wie und was wir zukünftig lernen.