So (un-)gerecht sind Bildungschancen weltweit
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Sam Balye – unsplash.com/license
- 17. Februar 2020
Ob und wie lange ein Kind in die Schule geht, hängt zum Teil vom Wohnort ab. Welche Rolle spielen aber Faktoren wie Geschlecht oder der Geldbeutel und Bildungsstatus der Eltern?
Viele Kinder und Jugendliche machen sich große Sorgen um ihre Zukunft. Kein Wunder, denn die Teilhabechancen rund um die Welt sind ungleich verteilt: Viele junge Menschen fühlen sich in gesellschaftlichen Fragen nicht gehört oder können aus verschiedenen Gründen nicht zur Schule gehen. Diese Ungerechtigkeit kann man messen. Einmal pro Jahr wird der Social Justice Index herausgegeben, der unter anderem Zugang zu Bildung als wichtigen Aspekt sozialer Gerechtigkeit bewertet.
Bildungschancen in den Industriestaaten
Die Bildungsgerechtigkeit in den OECD- und EU-Ländern hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren leicht gebessert. Inzwischen haben weniger Menschen einen Abschluss unterhalb der Sekundarstufe II. Das unterscheidet sich aber nach wie vor von Land zu Land.
Die ersten drei Plätze im Bildungsranking belegen die nordischen Länder Dänemark, Norwegen und Schweden. Doch selbst in diesen hoch entwickelten Ländern hängt die Bildung vom Geldbeutel und Bildungsstatus der Eltern ab. Das gilt für alle Länder, die im Social Justice Index untersucht werden. Sind die Eltern gut gebildet, haben deren Kinder auch meist bessere Bildungschancen.
Schlechtere Jobchancen durch ungerechte Bildung?
Bildungserfolg ist Arbeitserfolg. Welchen Zugang Kinder zu Bildung haben, wirkt sich auf ihre Arbeitsmarktchancen aus – und weitergedacht auch auf die Möglichkeiten der Kinder, später einmal am gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben teilzuhaben.
Island ist allen Ländern in puncto Chancengerechtigkeit einen Schritt voraus: Dort bietet das Bildungssystem Kindern aus sozial schwachen Familien nahezu dieselben Chancen wie Kindern aus sozial besser gestellten Familien. In Belgien, Bulgarien, Tschechien, Ungarn und Frankreich hingegen hängt der Lernerfolg am stärksten vom Geld und Bildungsstatus der Eltern ab.
Flüchtlingskinder verpassen 1,5 Milliarden Schultage
Doch nicht alle Kinder können in ihrem Heimatland zur Schule gehen: Über die Hälfte der 70,8 Millionen Flüchtlinge weltweit ist unter 18 Jahre alt. In den letzten zwei Jahren haben geflüchtete Kinder und Jugendliche insgesamt 1,5 Milliarden Schultage verpasst. Auch Asylsuchende und Kinder mit Migrationshintergrund werden in der Bildung benachteiligt.
Nicht nur die Herkunft, auch das Geschlecht entscheidet über Bildungschancen: Mädchen haben immer noch weniger Zugang zu Bildung als Jungen. Von den 780 Millionen Menschen weltweit, die weder lesen noch schreiben können, sind zwei Drittel Frauen und Mädchen. Aber einen Lichtblick gibt es: Der Bildungsstand von Mädchen und Jungen nähert sich – zumindest in den meisten Industriestaaten – immer weiter an. Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis die Geschlechter auch in dieser Hinsicht gleichgestellt sind? Hier und im gesamten Bildungssystem sind die politischen Entscheider*innen gefragt, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.
Der Report „Soziale Gerechtigkeit in der EU und OECD“ wurde vom Projekt „Sustainable Governance Indicators“ (SGI) der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht. Das Projekt geht der Frage nach, wie Politik nachhaltig und langfristig gestaltet werden kann.