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Dominique Macri im Interview: Lasst die Filterblasen platzen!

Die Slam-Poetin Dominique Macri
Interview
Dominique Macri

Lasst die Filterblasen platzen!

  • Dominique Macri
  • 02. Juli 2021

Ist die Wahrheit in Gefahr? Slam-Poetin Dominique Macri spricht im change-Interview über Filterblasen, Fake News, warum sie trotzdem glaubt, dass alles besser wird – und über die Macht der Poesie.

Die Slam-Poetin Dominique Macri

Dominique Macri …

… ist Slam-Poetin, Psychologin und Schauspielerin. 2014 gewann sie mit ihrem „Team Scheller“ die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften. 2017 erhielt sie den Innovation Award der German Speakers Association. Sie lebt mit ihren beiden Kindern in Marburg.

Dominique Macris Webseite


change | Hallo Dominique! Du bist vor allem als Slam-Poetin bekannt. Im change Magazin sind kürzlich drei lyrische Prosatexte über Demokratie, Freiheit und Wahrheit von dir erschienen. Warum gerade diese Themen?

Dominique Macri | Das Thema Demokratie beschäftigt mich schon lang. Und wenn ich über Demokratie nachdenke, dann komme ich schnell zu den Themen Freiheit und Wahrheit. Damit unsere Demokratie funktionieren kann, müssen wir die Freiheit haben, verschiedene Perspektiven aneinander reiben zu lassen und gemeinsam nach Wahrheit zu suchen. Das sehe ich in Gefahr.

Wie meinst du das genau?

Die Art und Weise, wie wir miteinander sprechen und wie wir an Informationen kommen, hat sich stark verändert. Früher gab es eine begrenzte Anzahl von Medien, die ein gewisses Vertrauen genossen haben. Aber die Dynamik ist heute ganz anders. Menschen in ihren Filterblasen bekommen fast nur noch Informationen, die auf ihre Präferenzen passen.
 

Ein Mann mit Brille sitzt vor seinem Computer mit einem Stift in der Hand.

„Wir reflektieren zu wenig über das, was wir online tun“


Gab es solche Filterblasen auf eine Art und Weise nicht auch schon früher?

Sicherlich waren Leute schon immer in Filterblasen im übertragenen Sinn, in dörflichen Gemeinschaften, in ihren Familien, wo eine gewisse Ideologie vorherrscht. Das Phänomen unserer Zeit ist aber, dass Falschinformationen in kürzester Zeit eine viele größere Reichweite haben als im Printzeitalter. Und zwar so schnell, dass man sie nicht mehr einfangen oder korrigieren kann.

Hätten wir nicht mit dem Smartphone in der Tasche die besten Voraussetzungen, diese Fake News zu entlarven? Warum fallen so viele Leute auf „alternative Fakten“ herein?

Ich denke, es liegt unter anderem an dem Überfluss an Informationen, dass es sich viele Menschen in ihrer Bubble bequem machen. Aber vielleicht ist das nur eine erste Abwehrhaltung. Ich habe die große Hoffnung, dass sich das ins Gegenteil verkehrt und dass die junge Generation damit kompetenter umgehen kann. Vielleicht entsteht dadurch eine wirkliche Verbindung und Verzahnung der Menschen weltweit, außerhalb ihrer Bubble.
 

Lust auf mehr bekommen?

Dominique Macris Texte zum Nachlesen gibt’s in der neuen change Ausgabe 1/2021. Jetzt kostenlos runterladen!

 


Du schreibst in einem deiner Texte: „Reichweite schreibt Wahrheit. Klicks fressen Verstand.“ Reflektieren wir zu wenig darüber, was wir online tun?

Ich denke, wir reflektieren generell wenig, weil wir unseren Geist permanent beschäftigen. Es gibt nicht mehr viele Leerräume, wo man einfach mal nur aus dem Fenster schaut. Ich glaube, dass Reflexion in der Ruhe entsteht, und die ist ein seltenes Gut geworden. Das sehe ich auch bei mir selbst. Wir springen von einer Übersprunghandlung zur nächsten und verlieren die Achtsamkeit für den Moment. Kein Wunder, wenn wir parallel 28 Medien bedienen und nebenbei noch einen Podcast hören.

Lass uns doch an dieser Stelle einmal in deine Texte reinhören. Du warst so nett und hast für uns die Zeilen, die du über Freiheit, Wahrheit und Demokratie geschrieben hast, selbst vorgetragen:
 


Vieles in diesen Zeilen kann man als eine Art Aufruf verstehen, vieles als Vorschlag, Dinge besser zu machen. Kann Poesie die Welt verändern?

Ich weiß nicht, ob das ein bisschen komisch klingt, aber ich glaube, alles kann die Welt verändern. Auch Poesie kann die Welt verändern, und zwar indem sie die Menschen berührt, bewegt und begeistert und dazu motiviert, etwas zu tun. Das Wort ist eins der mächtigsten Werkzeuge, das wir haben. Poesie ist ein Anker für Menschen. Eines meiner Gedichte heißt „Mutmachgedicht“, ich habe ganz oft erlebt, dass Mütter hinterher zu mir kommen und mich nach diesem Gedicht fragen, weil sie es ihren Töchtern zeigen wollen. Für mich ermöglicht Poesie einen tieferen Zugriff auf meine Gefühle. Das brauchen wir Menschen vielleicht auch, um mit anderen empathisch zu sein, dass wir erst einmal unser eigenes Innenleben erkunden. Und dabei hilft Poesie.

Das nehmen wir uns zu Herzen. Vielen Dank für das Gespräch, Dominique!

Mutiges Eintreten für Demokratie, Freiheit und Wahrheit war auch dem Gründer der Bertelsmann Stiftung ein Anliegen. In diesem Jahr wäre Reinhard Mohn 100 Jahre alt geworden. In der change Ausgabe 1/2021 berichtet seine Tochter Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, was ihr Vater ihr persönlich mitgegeben hat und wie sein Vermächtnis bis heute nachwirkt.