Frische Luft und frische Ideen: Wie Coworking deutsche Dörfer rettet
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- 22. Januar 2021
Nicht nur in größeren Städten und Metropolen finden Menschen Angebote für mobiles und flexibles Arbeiten. Coworking findet längst auch auf dem Land statt. Immer mehr Coworking-Spaces eröffnen jenseits der großen Städte und bieten Platz für die „neuen Landarbeiter:innen“. Kann diese ländliche Perspektive neue Möglichkeiten eröffnen?
Ein Bindestrich macht den Unterschied: Coworking oder Co-Working?
Mit dem Begriff Coworking ist es so wie mit New Work: Alle reden darüber, aber jede:r meint damit etwas anderes. Es fängt schon bei der Schreibweise an: „Co-Working“, so finden Expert:innen der Bertelsmann Stiftung, kann überall da stattfinden, wo es eine Internetverbindung gibt und man den Laptop aufklappen kann – egal, ob das an der Strandbar ist oder in einem professionellen Co-Working-Space. „Coworking“ ohne Bindestrich hingegen ist noch mehr.
Coworking ist mehr als nur ein gemeinsamer Arbeitsraum
„Ein Coworking-Space ist als ein Ort zu verstehen, an dem Menschen zusammenkommen, um gemeinsam, aber nicht unbedingt miteinander zu arbeiten“, fasst es Tobias Kremkau vom Institut für Neue Arbeit zusammen. Es geht also um Vernetzung. Menschen, die Coworking-Spaces nutzen, setzen auf Austausch mit anderen, mit denen sie üblicherweise nicht zusammenarbeiten würden. Was früher vor allem in den Großstädten stattfand, boomt mittlerweile im ländlichen Raum – und wird dort sogar weiterentwickelt.
Coworking auf dem Land ist vielfältiger als in der Stadt
Auf dem Land wird eine Sache mehr geschätzt als in der Stadt: Gemeinschaft. Deshalb spricht Coworking auf dem Land eine viel breitere Zielgruppe an. Nicht nur die üblichen Verdächtigen sind hier anzutreffen, sondern auch Lehrer:innen und Handwerker:innen, Menschen, die ein Bedürfnis nach Gemeinschaft haben und sich ihren Arbeitsort frei auswählen können. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung bezeichnet diese Menschen treffend als „neue Landarbeiter:innen“.
Vorteile von Coworking im ländlichen Raum
Coworking ist der Ressourcenschoner schlechthin: Menschen, die in Shared Workspaces arbeiten, sparen nicht nur Zeit (die sie vorher zum Pendeln zu ihrem Arbeitsplatz gebraucht haben) und Geld (für Fahrkarten oder das Auto), sondern tun auch etwas für die Umwelt. In Coworking-Spaces werden Ressourcen gemeinsam genutzt, sie verbrauchen weniger Strom als ein Einzelbüro und tragen durch weniger Pendelverkehr zur Einsparung von Kohlenstoffdioxid bei. Doch nicht nur die Umwelt profitiert, auch unsere geistige Gesundheit; wer Zeit am einen Ende spart, kann sie an einem anderen nutzen. So helfen Coworking-Spaces dabei, Arbeit und Leben besser zu vereinen.
Coworking am Beispiel von Hameln
Das niedersächsische Hameln liegt inmitten der Wörterbuchdefinition von „ländlichem Raum“. Die nächsten größeren Städte Hannover und Bielefeld liegen gut eine Autostunde entfernt – wenn kein Stau ist. Hier sind vor allem kleine und mittelständische Unternehmen zu Hause. Und seit diesem Jahr auch ein Coworking-Space: Direkt im Bahnhof, wo früher eine Disco betrieben wurde, öffnet im Frühjahr 2021 das Zentrum für digitale Transformation (ZediTA) seine Türen. Hier sollen nicht nur Arbeitsplätze entstehen, sondern auch Workshops, Vorträge und Events stattfinden. Das Projekt haben die Stadt Hameln, die Uni und der Landkreis gemeinsam auf die Beine gestellt und wollen so etwas vorantreiben, was in „traditionellen“ Co-Working-Spaces zu kurz kommt: die Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Kommune.
Coworking als Rettungsring für sterbende Kommunen
Was Coworking für sogenannte strukturschwache Regionen bedeuten kann, zeigt sich an der belebenden Wirkung dieser neuen Arbeitsorte. Wissensaustausch, persönliche Beziehungen und Vernetzung stärken die Gemeinschaft vor Ort. Die Abwanderung von Arbeitskräften könnte so ein Stück weit aufgehalten werden. Denn mal ehrlich: Es gibt Dinge, die sind auf dem Land einfach schöner als in der Stadt.
Wer sind die neuen Landarbeiter:innen? Dieser Frage geht die Studie „Coworking im ländlichen Raum“ nach. Das Projektteam „Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung“ der Bertelsmann Stiftung analysiert darin nicht nur zwölf Typen der neuen Landarbeiter:innen, sondern wirft auch einen Blick auf neue Arbeitsorte und Coworking-Gründungen.