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Wann sterbe ich? Diese Algorithmen können unseren Tod vorhersehen

Eine zugedeckter Körper mit einem Zettel am Fuß. Adobe Stock / forestpath

Diese Algorithmen können vorhersehen, wann wir sterben

  • Adobe Stock / forestpath
  • Juni 2018

Dem Tod noch mal von der Schippe springen oder erfolglose, lebensverlängernde Maßnahmen vermeiden: Das machen Medizinalgorithmen möglich. Sie ermitteln erstaunlich genau, wann und wie es mit uns zu Ende geht.

Sterben ist ein heikles Thema. Man denkt nicht gern darüber nach und wünscht sich doch gute Bedingungen, wenn es soweit ist. Einem Pflegereport der DAK zufolge sterben 75 Prozent aller Deutschen im Krankenhaus oder Pflegeheim, wo medizinisches Personal über ihren Behandlungsverlauf entscheidet.

Ist eine Krankheit so weit fortgeschritten, dass eine Heilung nicht mehr zu erwarten ist, dürfen Patient*innen die sogenannte Palliativversorgung nutzen. Dabei wird der Tod nicht etwa mit lebensverlängernden Maßnahmen herauszögert, sondern würdevoll begleitet. Ein Problem dabei: Auch erfahrene Ärzt*innen neigen dazu, die Lebenserwartung ihrer Patient*innen zu überschätzen und zögern die Überweisung zu lange hinaus.

Künstliche Intelligenz kann Sterben menschlicher machen

Während die Medizintechnik uns noch kein ewiges Leben ermöglicht, können Algorithmen hier schon einiges leisten: Verschiedene Einrichtungen haben Programme entwickelt, die den Sterbezeitpunkt von schwerkranken Menschen erstaunlich genau vorhersagen. Patient*innen mit einer Lebenszeitprognose von drei bis zwölf Monaten können sich so rechtzeitig für eine optimale Palliativversorgung entscheiden, die ihnen ein menschenwürdiges Sterben ermöglicht.
 

Vier Menschen sitzen mit Laptops an einem Tisch.

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Algorithmen in der Notfallmedizin

Oft sterben Patient*innen, wenn sich ihr Gesundheitszustand so plötzlich verschlechtert, dass auch geschulte Fachkräfte nicht rechtzeitig reagieren können. In den USA ereilt dieses Schicksal jedes Jahr rund 400.000 Menschen. Ein in den Staaten bereits zugelassener Algorithmus kann frühzeitig Alarm schlagen, wenn sich wichtige Vitalfunktionen verändern. 

Der Vorteil: Ärzt*innen bleibt genug Zeit, um die Ursachen der Verschlechterung zu bekämpfen und auf häufig tödlich verlaufende Ereignisse wie einen Herzinfarkt zu reagieren.

Ein Mann sitzt an einem Laptop

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Was dürfen Algorithmen entscheiden?

Trotz der Vorteile sind viele Menschen skeptisch, was den Einsatz von Algorithmen in der Sterbemedizin betrifft. Wer entscheidet darüber, ob eine Therapie durchgeführt wird, wenn sie nur eine kurze Verlängerung der Lebenszeit bewirkt? Wie lässt sich verhindern, dass finanzielle Interessen hier einfließen?

Unabhängig davon, ob Algorithmen in Zukunft auch Moralverständnis simulieren können – es sind und bleiben die Ärzt*innen, die auf Basis algorithmischer Ergebnisse die Entscheidungen treffen. Um diesen Einbezug adäquat in die Kommunikation mit Patient*innen zu integrieren, bedarf es entsprechender Vorbereitung und Schulungen. 

Mehr dazu? Das Projekt Ethik der Algorithmen der Bertelsmann Stiftung berichtet regelmäßig Spannendes aus der Welt der KI auf ihrem Blog.