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Robo Recruitung: Wenn der Computer Personaler spielt

Eine Frau schaut auf ihr Smartphone Eugenio Marongui - stock.adobe.com

Computer sagt nein: Was wäre, wenn Algorithmen das Recruiting übernehmen?

  • Eugenio Marongui - stock.adobe.com
  • 29. Juli 2019

Stell dir vor, du wirst nicht von einem Menschen zum Vorstellungsgespräch eingeladen, sondern von einem Computer. Immer mehr Firmen lassen Algorithmen entscheiden, welche Bewerber für sie infrage kommen. Ob das eine gute Idee ist?

Bewerbungsverfahren sind für beide Seiten anstrengend: Die Bewerber müssen überzeugen, die Firmen kostet das Prozedere viel Zeit und damit Geld. Was wäre, wenn algorithmische Systeme beiden Seiten helfen könnten? 

Klingt skurril? Ist aber so.

Robo Recruiting oder AI Recruiting hilft schon heute Unternehmen, die Flut von Bewerbungen zu bewältigen. Im Schnitt dauert es in Deutschland 82 Tage, bis eine offene Stelle besetzt ist. Sogenannte Applicant Tracking Systems können das beschleunigen: Sie durchsuchen Bewerbungen automatisch, sortieren sie und filtern unpassende Kandidaten heraus. Einige große Firmen nutzen diese Technik schon. Personaler haben so mehr Zeit, sich auf aussichtsreiche Bewerber zu konzentrieren.

Auch Bewerbern hilft die Software

Andererseits können algorithmische Systeme auch Bewerbern helfen: Es gibt Tools, mit denen du auf dich zugeschnittene Jobangebote finden kannst. Diese Dienste gleichen deinen Lebenslauf mit Stellenausschreibungen ab. Das Ergebnis: personalisierte Angebote für Jobs, bei denen du wirklich eine Chance hast.

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Ist der Computer fairer als ein Personaler?

Robo Recruiting kann das Bewerbungsverfahren fairer machen. Personaler verlassen sich nicht selten – bewusst oder unbewusst – auf ihr Gefühl. So kann es passieren, dass menschliche Vorurteile eine Rolle spielen.

Bewerber mit ausländisch klingenden Namen haben zum Beispiel schlechtere Chancen auf eine Stelle als solche mit einem deutschen Namen, wie eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration herausfand. Algorithmen können helfen, Menschen allein anhand ihrer Qualifikation zu bewerten, sodass sie sich nicht von Herkunft, sexueller Orientierung, Aussehen, Geschlecht etc. beeinflussen lassen. 

Der Haken: Auch Algorithmen können Vorurteile haben

Wer aber programmiert die Programme, die helfen sollen, vorurteilsfrei Bewerbungen zu sichten? Menschen. Algorithmen werden mit Daten trainiert, die möglicherweise schon diskriminierende Muster bedienen. Die Computerentscheidung kann so bestehende Vorurteile wiederholen und sogar verstärken.

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Ein Beispiel: Ein Unternehmen will bewusst mehr Frauen in der Führungsetage einstellen und setzt auf Robo Recruitung, um Bewerbungen vorzusortieren. Der Algorithmus wird für diese Position Bewerbungen mit Führungserfahrung bevorzugen. Aktuell gibt es aber weitaus weniger Frauen in Führungspositionen als Männer, denn sie werden auf dem Arbeitsmarkt strukturell benachteiligt. Der Algorithmus reproduziert somit ein diskriminierendes Muster – oder verstärkt es sogar.

Das Wichtigste ist Transparenz

Damit Algorithmen fair funktionieren, braucht es Regeln. So sollte immer klar sein, ob und welche Algorithmen im Bewerbungsprozess eingesetzt werden. Nur wenn das klar ist, kann sich ein Bewerber bei Verdacht auf eine Diskriminierung wehren. Transparente Algorithmen können auch von unabhängigen Einrichtungen geprüft werden. Die ständige Überprüfung anhand fester Kriterien soll helfen, Risiken beim Einsatz von Algorithmen zu verringern.

Keine Lust auf Schwarz-Weiß-Denken? In hitzigen Debatten gehen die Zwischentöne oft unter. Die Bertelsmann Stiftung trägt bei zu einer lebhaften Debattenkultur. Das Projekt „Ethik der Algorithmen“ erforscht, wie algorithmische Systeme unser Leben durchdringen – und wie man sie transparenter, gerechter und cleverer machen kann. Mehr über Robo Recruiting erfährst du hier.