Süßes aus Syrien: Wie Konfekt aus Damaskus Deutschland erobert
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Pablo Merchán Montes – unsplash.com/license
- 21. Juni 2019
Ein süßes Stück Syrien auf dem Teller: Iyad Slik ist Chocolatier und stellt in Damaskus besondere Leckereien her. Seine Süßwaren haben es bis nach Deutschland geschafft. change hat den Unternehmer in Berlin zum Gespräch über Schokolade, Krieg und Unternehmergeist getroffen.
Iyad Slik
… ist Unternehmer aus Syrien. Schon als Kind besuchte er die Süßwarenmanufaktur seines Großvaters in Damaskus. Heute leitet er selbst das Unternehmen und exportiert syrisches Konfekt in viele Länder. Seine Geschäfte steuert der Chocolatier von Berlin aus. Er steht in regem Austausch mit anderen Unternehmern mit Migrationshintergrund und nimmt an Diskussionen und Panels teil.
change | Herr Slik, Sie kommen aus Damaskus, studierten in den USA – und nun sitzen wir in Ihrem Geschäft in Berlin-Kreuzberg. Warum hier und nicht woanders?
Iyad Slik | Gute Frage. Ich war 1985 das erste Mal in Deutschland und habe mich sofort in das Land verliebt. Die Bedingungen für Unternehmen und die Arbeitsabläufe sind großartig. Es gibt viele Messen für Lebensmittelhersteller und für die Verpackungsindustrie. Also begann ich, eine Brücke zwischen meinem Land und Deutschland zu bauen. Über die Zeit bekam ich immer mehr Kunden von hier. Dann hat mich 2o14 der Krieg hierhergeführt. Glücklicherweise lernte ich meine beiden heutigen Geschäftspartner kennen, Herrn Riedel und Herrn Schöppach. Zusammen mit ihnen gründete ich die „Maison de Slik“.
Ihre Fabrik steht in der Nähe von Damaskus, das Gebiet war bis vor Kurzem heiß umkämpft. Trotz des Krieges konnten Sie ohne große Unterbrechungen weiterproduzieren. Wie war das möglich?
Als der Krieg 2011 ausbrach, verlegten wir Teile der Produktion kurzfristig nach Jordanien. Unsere Fabrik in Damaskus blieb weitgehend unbeschädigt, aber die Stromausfälle und Rohstoffengpässe behinderten unsere Arbeit. Einige der Grundzutaten unserer Schokolade kommen aus Europa: die Kakaobutter, die Kakaomasse. Es war schwierig daranzukommen, aber notwendig, denn die Qualität ist die beste. Der Krieg machte auch vieles teurer, die guten Pistazien aus der Gegend um Aleppo gab es nur noch zu schwindelerregenden Preisen.
Nicht nur die Deutschen definieren ihre Kultur stark über das Essen. Wie und was man isst, ist für Menschen weltweit Teil ihrer Identität. Wie reagierten die Deutschen darauf, als Sie syrisches Konfekt hierherbrachten?
In Syrien kennt jeder unsere Süßigkeiten. Nicht nur im Land selbst, auch in den Ländern, in denen Syrer im Exil leben. Teilweise geht unser Konfekt kofferweise aus der alten Heimat in die neue. Die Syrer verbinden eine Geschichte mit uns. Und da kommen die Deutschen ins Spiel: Sie lieben alles mit Geschichte und Tradition. (lacht)Natürlich geht es auch um den Geschmack, wir verwenden nur ausgesuchte Zutaten. Die Nüsse und das Obst kommen aus Syrien: Pistazien aus Aleppo – die besten der Welt! –, Datteln aus Palmyra, Aprikosen, Mandeln – so etwas finden Sie hier sonst nicht.
Stichwort Tradition: Ihre Süßwarenmanufaktur gibt es nicht erst seit gestern. Wie lange macht Ihre Familie schon Konfekt?
In der dritten Generation. Mein Großvater gründete unsere erste Süßwarenmanufaktur bereits 1918, er war einer der bekanntesten Chocolatiers von Damaskus. Neben der Fabrik haben wir dort inzwischen drei Geschäfte.
Eine ketzerische Frage: Berlin ist bekannt für seine große arabische und türkische Community. Süßigkeiten aus dem Nahen Osten sind hier nichts Neues. Was macht Ihr Konfekt so besonders?
Sie meinen Baklava, Lokum und so etwas. Natürlich, unsere Süßigkeiten ähneln sich. Syrien war lange von den Türken besetzt, es war 400 Jahre lang Teil des Osmanischen Reiches, das hinterlässt Spuren. Aber unsere syrischen Süßigkeiten unterscheiden sich in einigen Aspekten von den türkischen und arabischen. Sie sind zum Beispiel weniger süß, wir benutzen andere Nüsse, anderes Obst.
Abgesehen von den logistischen Schwierigkeiten, die Sie schon erwähnten, was waren Ihre größten Herausforderungen?
Wie ich bereits sagte, der Krieg machte vieles nicht leicht, die Jahre 2014 bis 2016 waren sehr hart. Aber ich war schon immer ambitioniert. Mir war von vornherein klar, dass wir Marktführer in der arabischen Welt sein müssen. Mir war auch klar, dass wir expandieren müssen, nach Europa, vielleicht in die USA. Die Herausforderung liegt im Managen dieser Prozesse. Ich konnte sie meistern, weil ich seit jeher gute internationale Beziehungen habe, ich bin viel gereist und kenne Leute in den Botschaften weltweit. Sicherlich hat auch meine Ausbildung dazu beigetragen, ich habe Wirtschaft studiert und kenne mich mit ökonomischen Fragen aus.
Ist die Neugründung Ihres Familienunternehmens in Deutschland einfach gewesen? Wer hat Sie unterstützt, was hat Sie gehindert, was hat Sie überrascht?
Es gab ein Zeitfenster, in dem Syrer, die so wie ich ein Schengen-Visum besitzen, erleichtert nach Deutschland einreisen und hier leben konnten. Mein großer Glücksfall war ein Artikel über mich in der „Zeit“, seitdem stand mein Telefon nicht mehr still. Eines Tages waren meine heutigen Geschäftspartner am Apparat. Sie waren und sind mir eine sehr große Hilfe, haben mir von Anfang an vertraut und die bürokratischen Hürden überwunden. Sie kennen sie ja sicher selbst, die deutsche Bürokratie, es ist ein Desaster. (lacht)
Aus Ihrer Sicht als selbstständiger Unternehmer: Was unterscheidet Deutschland und Syrien?
Die Unterschiede sind riesig. In Syrien wird vieles unter der Hand geregelt, gerade während des Bürgerkriegs. Die Wechselkurse schwanken, der Dollar war mal 50 Syrische Lira wert, heute ist es zehnmal so viel. In Deutschland hingegen hat man Sicherheit, Stabilität, es gibt keine Korruption, dafür viel Papierkram. Was das Unternehmertum selbst angeht, das halte ich eher für universal. Es heißt ja nicht umsonst Unternehmergeist. Unternehmer sein ist eine Einstellung, eine Haltung. Und die trage ich in mir, egal wo ich bin.
Unternehmer wie Iyad Slik halten die deutsche Wirtschaft am Laufen. Doch wie gelingt „Wachstum für alle“? Das Projekt „Produktivität für Inklusives Wachstum“ der Bertelsmann Stiftung geht dieser Frage nach. Mehr dazu gibt es im Blog des Projekts.